Buchhinweise

Giemulla/Schmid (Hrsg.)
Frankfurt a.M. Der Kommentar zum Luftverkehrsrecht,
Bd. 3 Montrealer Übereinkommen (Köln Loseblatt, Stand 2016)
zit.: Giemulla/Schmid

Führich, Ernst
Reiserecht (München, 7. Aufl. 2015), § 38
zit.: Führich

Hausmann, Ludwig
Europäische Fluggastrechte im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung und großer Verspätung von Flügen,
Diss. Bielefeld 2011
zit.: Hausmann

Janköster, Jens Peter
Fluggastrechte im internationalen Luftverkehr
Diss. Bielefeld 2009
zit.: Janköster

Reuschle, Fabian
Montrealer Übereinkommen (Berlin, 2. Aufl. 2011)
zit.: Reuschle

Ruhwedel, Edgar
Der Luftbeförderungsvertrag (Frankfurt a.M. 3. Aufl. 1998)
Zit.: Ruhwedel

Schladebach, Markus
Luftrecht (Tübingen 2007)
zit.: Schladebach

von Staudinger, Julius Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch
(Neubearb. 2916)
zit. StaudBGB

Staudinger, Ansgar / Keiler, Stephan
Fluggastrechte-Verordnung (Handkommentar) (Baden-Baden 2016)
zit.: Staudinger/Keiler HK-FluggR

Tonner Klaus
in: Gebauer/Wiedmann (Hrsg.)
Kapitel 15 Haftung von Luftfahrtunternehmen
(Stuttgart, 2. Aufl. 2010)
zit: Tonner in: Gebauer/Wiedmann

Artikel 16 – Verstöße

(1) Jeder Mitgliedstaat benennt eine Stelle, die für die Durchsetzung dieser Verordnung in Bezug auf Flüge von in seinem Hoheitsgebiet gelegenen Flughäfen und Flüge von einem Drittland zu diesen Flughäfen zuständig ist. Gegebenenfalls ergreift diese Stelle die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Fluggastrechte gewahrt werden. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission mit, welche Stelle gemäß diesem Absatz benannt worden ist.

(2) Unbeschadet des Artikels 12 kann jeder Fluggast bei einer gemäß Absatz 1 benannten Stelle oder einer sonstigen von einem Mitgliedstaat benannten zuständigen Stelle Beschwerde wegen eines behaupteten Verstoßes gegen diese Verordnung erheben, der auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats begangen wurde oder einen Flug von einem Drittstaat zu einem Flughafen in diesem Gebiet betrifft.

(3) Die von den Mitgliedstaaten für Verstöße gegen diese Verordnung festgelegten Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

 1   Art. 16 VO verpflichtet jeden Mitgliedstaat, eine „Stelle“ einzurichten, die für die „Durchsetzung“ der Rechte Fluggästen bei Nichtbeförderung, Annullierung und Verspätung zuständig ist und zwar für alle Flüge, die von einem Flughafen im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates abgehen, und für solche, die – aus einem Drittland kommend – auf einem dieser Flughäfen landen.

2    Die Durchsetzungs- und Beschwerdestellen haben zwei Aufgaben: Zum einen sollen sie dafür Sorge tragen, dass die Fluggastrechte gewahrt und damit „durchgesetzt“ werden. Darüber hinaus sollen sie nach Art. 16 Abs. 2 VO aber auch für Beschwerden (Anzeigen) von Fluggästen wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen diese Verordnung zuständig sein. Diese Stellen werden daher als „Durchsetzungs- und Beschwerdestelle“ bezeichnet. In Deutschland ist das Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben betraut (§ 63d LuftVZO).

3    Mit dem Wort „Durchsetzung“ ist aber nicht gemeint, dass die Durchsetzungsstelle zivilrechtliche Ansprüche eines Fluggastes (z. B. Ausgleichs- und Erstattungsansprüche) gegen das Luftfahrtunternehmen durchsetzt. Das ist Aufgabe der Gerichte oder der Schlichtungsstellen. Das Luftfahrt-Bundesamt soll – wie jede andere nationale Durchsetzungs- und Beschwerdestelle – daher „nur“ dafür sorgen, dass die Luftfahrtunternehmen die Regelungen der Fluggastrechte-Verord- nung rechtskonform beachten und ihren darin niedergelegten Verpflichtungen (Zahlung von Ausgleichsleistungen, Betreuungspflichten, Unterstützungspflichten) nachkommen (so auch Hausmann, Europäische Fluggastrechte, S. 515, m.w.N. in Fn. 27 ff.).

3a    Der EuGH hat in seinem Urteil vom 17.03.2016 (verb. Rs. C‑145/15 – Ruijssenaars u.a. ./. Staatssecretaris van Infrastructuur en Milieu und C‑146/15 – Dees-Erf ./. Staatssecretaris van Infrastructuur en Milieu, RRa 2016, 123) die Ansicht vertreten, dass eine für die Durchsetzung der Verordnung zuständige nationale Stelle, die mit der Bearbeitung einer individuellen Beschwerde eines Fluggasts befasst ist, nicht verpflichtet ist, Durchsetzungsmaßnahmen gegen ein Luftfahrtunternehmen zu erlassen, um es dazu anzuhalten, die dem Fluggast nach dieser Verordnung zustehende Ausgleichsleistung zu zahlen. Er folgte insoweit dem Schlussantrag des Generalanwalts Bott vom 14.01.2016, stellte aber auch ausdrücklich fest, dass die Mitgliedstaaten angesichts der Ziele der Verordnung und des Handlungsspielraums, über den sie bei der Zuweisung der Zuständigkeiten, die sie den Stellen übertragen möchten, verfügen, die Möglichkeit haben, zum Ausgleich eines unzureichenden Schutzes der Fluggastrechte die Stelle zu ermächtigen, Maßnahmen auf individuelle Beschwerden hin zu ergreifen.

4    Geschieht dies nicht, wird ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen das betreffende Luftfahrtunternehmen eingeleitet. Das Luftfahrt- Bundesamt kann nach § 63d Nr. 2 LuftVZO vom Luftfahrtunternehmen die für die Wahrnehmung seiner Aufgaben notwendigen Auskünfte verlangen und Überprüfungen der Luftfahrzeuge und des Unternehmens durchführen.

5    Bei nachgewiesenen Verstößen gegen die Verordnung werden die vom Staat festzulegenden Sanktionen verhängt. (Wegen der Arten in den einzelnen Mitgliedstaaten siehe Hausmann, a.a.O., S. 515). Ihm stehen dazu die üblichen Zwangsmittel zur Verfügung, insbesondere die Festsetzung von Bußgeldern. Der Begriff der „Sanktionen“ bezeichnet Maßnahmen, die als Reaktion auf Verstöße ergriffen werden, die die Stelle in Ausübung ihrer allgemeinen Aufsicht aufdeckt, und nicht verwaltungsrechtliche Durchsetzungsmaßnahmen, die in jedem Einzelfall zu ergreifen sind (EuGH, Urt. v. 17.3.2016 – C-145/15, C-146/15).

6    Art. 16 Abs. 3 VO bestimmt ausdrücklich, dass diese Sanktionen, insbesondere Bußgelder, „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sein müssen. Das kann nur über hohe Bußgelder erreicht werden, weil nur diese Luftfahrtunternehmen einerseits abschrecken und davon abhalten können, die Regelungen der Fluggastrechte-Verordnung zu ignorieren und andererseits einen wirtschaftlichen Anreiz schaffen , die Verpflichtungen aus der Verordnung zu erfüllen (so auch Hausmann, Europäische Fluggastrechte, S. 515). Wenn ein Luftfahrtunternehmen z.B. einen nicht gut ausgelasteten Flug annulliert und mit einem anderen Flug zusammenlegt und somit erhebliche Kosten erspart, muss der kaufmännische Anreiz, auch in Zukunft so zu verfahren, unterbunden werden. Dies kann aber mit einem Bußgeld in Höhe nur eines Bruchteils der Ersparnis nicht erreicht werden; daher muss das Bußgeld höher sein als die Kosten, die bei Einhaltung der Verpflichtungen aus der Verordnung entstünden (so auch Hausmann, a.a.O., S. 515 f.). Allenfalls bei dem ersten Verstoß kann ein niedrigeres Bußgeld in Betracht kommen. Entgegen der Ansicht von Müller-Rostin (a.a.O.) sind dabei nicht „die Interessen der Beteiligten (Fluggäste und Luftfahrtunternehmen) angemessen zu berücksichtigen“. Es ist allein auf das Interesse des Staates daran, dass die Gesetze eingehalten werden, abzustellen.

7    Auf eine kleine Anfrage der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen hat die Bundesregierung mitgeteilt, dass seit dem Jahr 2005 insgesamt 1.716 Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet worden seien; in nur 37 Fällen sei ein Bußgeld verhängt worden; dieses habe zwischen 1.000 und 4.000 EUR gelegen. Deutsche Luftfahrtunternehmen hätten im Jahr 2010 neun Bußgeldbescheide erhalten. Auf die weitere schriftliche Frage stellte die Bundesregierung fest, dass das Luftfahrtbundesamt im Jahre 2011 bei 1.787 Beschwerden von Fluggästen nunmehr in 219 Fällen ein Bußgeld verhängt habe, das bis zu 25.000 EUR betrug. Insgesamt wurden dadurch 2,3 Millionen Euro Einnahmen generiert. Das bedeutet, dass die durchschnittliche Höhe der Bußgelder auf ca. 10.600 EUR angestiegen ist (zitiert nach: Mehr und höhere Bussgelder gegen Airlines) Einen Überblick über das Verhalten der Durchsetzungsstellen in anderen Mitgliedstaaten gibt Hausmann (a.a.O., S. 316).

8    Die Entscheidung des Luftfahrt-Bundesamtes in einem Ordnungs- widrigkeitenverfahren hat auf das Zivilgerichtsverfahren wegen des- selben Sachverhaltes keinen unmittelbaren Einfluss. Das Gericht kann sich aber die fachliche Beurteilung der Durchsetzungs- und Beschwerdestelle zu Eigen machen.

9    Nach Abs. 2 kann jeder Fluggast bei einer gemäß Absatz 1 benannten Durchsetzungsstelle oder einer sonstigen von einem Mitgliedstaat benannten zuständigen Stelle Beschwerde wegen eines behaupteten Verstoßes gegen diese Verordnung erheben, der auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats begangen wurde oder einen Flug von einem Drittstaat zu einem Flughafen in diesem Gebiet betrifft. Der EuGH  (17.3.2016, Rs. C-145/15, Rs. C-146/15) ist der Ansicht, dass unter diesem Begriff „Beschwerde“ eher Hinweise zu verstehen sind, die zur ordnungsgemäßen Anwendung der Verordnung im Allgemeinen beitragen sollen, ohne dass die Stelle verpflichtet wäre, aufgrund solcher Beschwerden tätig zu werden, um das Recht jedes einzelnen Fluggastes auf Erhalt einer Ausgleichsleistung zu gewährleisten (Urt. v. 17.3.2016, Rs. C-145/15, Rs. C-146/15).

Artikel 15 – Ausschluss der Rechtsbeschränkung

(1) Die Verpflichtungen gegenüber Fluggästen gemäß dieser Verordnung dürfen – insbesondere durch abweichende oder restriktive Bestimmungen im Beförderungsvertrag – nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.

(2) Wird dennoch eine abweichende oder restriktive Bestimmung bei einem Fluggast angewandt oder wird der Fluggast nicht ordnungsgemäß über seine Rechte unterrichtet und hat er aus diesem Grund einer Ausgleichsleistung zugestimmt, die unter der in dieser Verordnung vorgesehenen Leistung liegt, so ist der Fluggast weiterhin berechtigt, die erforderlichen Schritte bei den zuständigen Gerichten oder Stellen zu unternehmen, um eine zusätzliche Ausgleichsleistung zu erhalten. 

1    Die Verordnung stellt in Art. 15 VO sicher, dass die Verpflichtungen aus der Verordnung gegenüber Fluggästen durch Regelungen im (Luftbeförderungs-)Vertrag nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden dürfen. Auch dies steht im Einklang mit Erwägungsgrund 1 VO, wonach die Verordnung darauf abzielt, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen.

2    Für den grundsätzlichen Ausschluss einer Rechtsbeschränkung ist es gleichgültig, ob sich diese aus einem ausformulierten Vertrag ergibt oder etwa aus Allgemeinen Beförderungsbedingungen, die zum Gegenstand des Vertrages mit dem Fluggast gemacht werden. Entsprechend fallen Änderungsvorbehalte in der Reisebestätigung oder im Preisteil des Kataloges eines Reiseveranstalters, welche auch die Rechte des Reisenden aus der Verordnung einschränken, unter das Verbot der Rechtsbeschränkung gemäß Art. 15 Abs. 1 VO.

3    Auch eine Haftungsbegrenzung in den Allgemeinen Beförderungsbedingungen des Luftfahrtunternehmens ist unwirksam, da sie dem Fluggast die Mindestrechte der Verordnung nehmen will (Art. 15 VO, § 134 BGB). Denn die Mindestrechte der Verordnung sind zwingendes Recht und haben als Unionsrecht Anwendungsvorrang. Wird eine Bestimmung der Verordnung nicht angewendet oder der Fluggast nicht ordnungsgemäß über seine Rechte unterrichtet (Art. 14 VO), und hat er aus diesem Grund einer Ausgleichsleistung zugestimmt, die unter dem Standard der Verordnung liegt, bleibt dem Fluggast nach Art. 15 Abs. 2 VO ein Anspruch auf eine zusätzliche Ausgleichszahlung (so auch: Führich, Reiserecht [6. Aufl.], Rn 1058).

4    Flugzeiten, die in der Reisebestätigung angegeben werden, werden zum Vertragsbestandteil. Änderungsvorbehalte in der Reisebestätigung oder im Preisteil des Kataloges hinsichtlich der Flugzeiten sind auch unter Berücksichtigung der Interessen des Reiseveranstalters für den Reisenden nicht zumutbar, weil sie dem Reiseveranstalter die Mög- lichkeit geben, die Flüge beliebig zu verlegen. Sie schränken zudem die Rechte des Reisenden aus der Verordnung ein und fallen damit unter das Verbot von Art. 15 Abs. 1 VO (BGH, Urt. v. 10.12.2013 – X ZR 24/13); zuvor schon: AG Köln, Urt. v. 23.11.2010 − 134 C 140/10, RRa 2011, 96 f.; OLG Celle, Urt. v. 07.02.2013 – 11 U 82/12).

5    Da die Verordnung keine Regelung zur Frage der Verjährung der dort normierten Ansprüche auf Ausgleichszahlung trifft, beträgt die Verjährungsfrist 3 Jahre (§§ 195, 199 BGB), gerechnet ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entsteht (BGH, Urt. v. 10.12.2009 − Xa ZR 61/09, RRa 2010, 90 f. = NJW 2010, 1526 = ZLW 2010, 421; a.A. noch in der Vorinstanz: LG Darmstadt, Urt. v. 24.04.2009 – 7 S 260/08, mit krit. Anm. Staudinger, RRa 2009, 193 ff.). Diese Rechtsauffassung hat der EuGH aufgrund des Vorabentscheidungsersuchens des Audiencia Provincial de Barcelona (Spanien) am 22.11.2012 bestätigt und dahingehend entschieden, dass − im Hinblick auf die Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen – nicht Art. 35 MÜ (zweijährige Ausschlussfrist) herangezogen werden kann, sondern das jeweils ergänzend anwendbare nationale Recht gilt (Rs. C-139/11 – Moré ./. KLM, RRa 2013, 17 = NJW 2013, 365 = EuZW 2013, 156 = ZLW 2013, 503). Entgegenstehende Klauseln in Allgemeinen Beförderungsbedingungen von Fluggesellschaften, die Einschränkungen vorsehen, wonach „gerichtliche Klagen innerhalb von 2 Jahren, beginnend mit dem Tag der Ankunft des Flugzeugs oder an dem Tag, an dem das Flugzeug hätte ankommen sollen, erhoben werden müssen“, mit der Folge, dass das Klagerecht auf Schadensersatz erlöschen soll, sind unwirksam. Die Verordnung trifft keine Regelungen zur AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle im Bereich des Verjährungsrechts und steht der Anwendbarkeit des einschlägigen nationalen Rechts insoweit nicht entgegen, so dass nach Art. 15 VO Verjährungsregeln aus Allgemeinen Beförderungsbedingungen, die Ansprüche des Fluggastes aus der Verordnung einschränken würden, unwirksam sind (AG Bremen, Urt. v. 22.11.2012 − 9 C 0270/12, RRa 2013, 89, 91).

6    Zur Frage der Anwendbarkeit der kurzen Verjährungsfrist des § 651g BGB auf Beförderungen, die im Rahmen einer Flugpauschalreise durchgeführt werden, siehe Vorbemerkungen, Rn. 36 ff.

Artikel 14 – Verpflichtung zur Information der Fluggäste über ihre Rechte

(1) Das ausführende Luftfahrtunternehmen stellt sicher, dass bei der Abfertigung ein klar lesbarer Hinweis mit folgendem Wortlaut für die Fluggäste deutlich sichtbar angebracht wird: „Wenn Ihnen die Beförderung verweigert wird oder wenn Ihr Flug annulliert wird oder um mindestens zwei Stunden verspätet ist, verlangen Sie am Abfertigungsschalter oder am Flugsteig schriftliche Auskunft über ihre Rechte, insbesondere über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen.“

(2) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das Fluggästen die Beförderung verweigert oder einen Flug annulliert, händigt jedem betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis aus, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß dieser Verordnung dargelegt werden. Ferner wird allen von einer Verspätung um mindestens zwei Stunden betroffenen Fluggästen ein entsprechender Hinweis ausgehändigt. Die für die Kontaktaufnahme notwendigen Angaben zu der benannten einzelstaatlichen Stelle nach Artikel 16 werden dem Fluggast ebenfalls in schriftlicher Form ausgehändigt.

(3) Bei blinden oder sehbehinderten Personen sind die Bestimmungen dieses Artikels durch den Einsatz geeigneter alternativer Mittel anzuwenden. 

I. Allgemeines

1           Ein Fluggast hat das Recht, zu erfahren, welche Rechte er hat, wenn er auf dem gebuchten Flug nicht befördert wird oder sein Flug annulliert oder mit großer Verspätung durchgeführt wird. Darüber hinaus hat ein Fluggast das Recht zu erfahren, wer den gebuchten Flug durchführen soll und wird. In der Fluggastrechte-Verordnung ist bedauerlicherweise nur die Informationspflicht des ausführenden Luftfahrtunternehmens über die Rechtsansprüche des Fluggastes infolge von Nichtbeförderung, Annullierung oder großer Verspätung normiert. Die Pflicht zur Aufklärung über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens ist in einem anderen Regelwerk niedergelegt.

2           Leider wurde auch nicht bestimmt, dass dem Fluggast der Grund für die Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung mitgeteilt werden muss. Dies wäre für die Praxis wichtig, damit ein Fluggast bzw. der Prozessvertreter vor Einreichung der Klage beurteilen kann, ob ein Entlastunggrund (ein vertretbarer Grund nach Art. 2 lit. j VO oder ein außergewöhnlicher Umstand nach Art. 5 Abs. 3 VO) vorliegt oder nicht. So könnte ein erheblicher Teil von Prozessen vermeiden werden.

3           Damit ein Fluggast sich nicht aus Unwissenheit mit einer niedrigeren als der ihm gebührenden Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO abfindet, enthält die Verordnung in Art. 14 VO umfangreiche Informations- und Hinweispflichten. So ist im Abfertigungsbereich (unabhängig von einem konkreten Vorfall) ein Hinweis mit dem wörtlich vorgeschriebenen Text des Art. 14 VO anzubringen. Deutlich sichtbar muss demnach zu lesen sein: „Wenn Ihnen die Beförderung verweigert wird oder wenn Ihr Flug annulliert wird oder mindestens zwei Stunden verspätet ist, verlangen Sie am Abfertigungsschalter oder am Flugsteig schriftliche Auskunft über Ihre Rechte, insbesondere über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen.“

 4     Dem Fluggast müssen auch die notwendigen Angaben zu der benannten einzelstaatlichen Stelle nach Artikel 16 VO (Durchsetzungsstelle) gegeben werden, damit er sich ggf. dort beschweren kann. Auch diese Informationen müssen ebenfalls in schriftlicher Form gegeben werden.

5          In den meisten Flughäfen werden die Fluggäste über Plakate auf ihre Rechte hingewiesen. Das ist nicht vorgeschrieben. Die Verordnung verlangt aber (darüber hinaus auch), dass der Hinweis „bei der Abfertigung“, d.h. nicht vorher (z.B. am Eingangsbereich des Flughafengebäudes) und nicht danach, sondern während der Abfertigung erfolgt. Daraus ist abzuleiten, dass der Hinweis (durch ein Hinweisschild, ein Plakat) am Abfertigungsschalter erfolgt. Soweit das Luftfahrtunternehmen seiner Informationspflicht durch Broschüren nachkommen will, müssen diese am Check-in-Schalter offen ausliegen und nicht nur für den Fall der Nachfrage verfügbar sein.

6          Bei Eintritt des konkreten Vorkommnisses (Nichtbeförderung, Annullierung oder große Verspätung) müssen dem Betroffenen also schriftliche Hinweise über seine Rechte ausgehändigt werden. Diese sollen in verständlicher Sprache verfasst sein und auch auf weitergehende mitgliedstaatliche Schadensersatzansprüche verweisen, damit der Zweck der Verordnung, nämlich die umfassende Information des Reisenden, erreicht wird.

II. Pflicht zur Information bei frühzeitiger Annullierung

 7         Annulliert ein Luftfahrtunternehmen einen Flug zwar mehr als 14 Tage vor dem geplanten Abflugtermin, teilt der Reisevermittler diese Mitteilung aber erst 13 Tage vor Abflug mit, hat der Reisende einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen. Das Luftfahrtunternehmen kann sich auf etwaige Fehler des Reisevermittlers im Verhältnis zum Kläger nicht berufen (AG Frankfurt a. M., Urt. v. 04.09.2009, RRa 2009, 292, LG Frankfurt, Urt. v. 01.09.2011 – 2-24 S 92/11, RRa 2012, 92; a.A. AG Rüsselsheim, AG Rüsselsheim, Urt. v. 18.05.2016 – 3 C 3043/15-31). Das LG Frankfurt (a.a.O.) hat zutreffend entschieden, dass der Reiseveranstalter kein Empfangsvertreter bzw. Wissensvertreter des Fluggastes ist.

III. Information bei Nichtbeförderung wegen Überbuchung

8         Verzichtet ein Fluggast, dessen Flug überbucht ist, auf die gebuchte Beförderung, muss das ausführende Luftfahrtunternehmen ihn im Rahmen der Verhandlungen über eine Gegenleistung auch darauf hinweisen, dass ein „Freiwilliger“ i.S.d. Art. 4 VO nach Abschluss der Vereinbarung mit der Geltendmachung von einer weiteren Schadensersatzleistung ausgeschlossen ist (Tonner, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss [2. Aufl. 2010], Kap. 15, Rn. 132).

IV. Informationen über das ausführende Luftfahrtunternehmen

9       Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 enthält keine Informationen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens. Diese sind aber in der Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 vom 14.12.2005 (ABl. EG 2005 L 344, 15) in Art. 11 niedergelegt. Art. 11 gilt für die Beförderung von Fluggästen auf dem Luftwege, wenn der Flug Teil eines Beförderungsvertrags ist und diese Beförderung in der Union begonnen hat, und

  1. a) der Flug von einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausgeht, für das der Vertrag gilt, oder
  2. b) der Flug von einem Flughafen in einem Drittstaat ausgeht und auf einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, für das der Vertrag gilt, ankommt, oder
  3. c) der Flug von einem Flughafen in einem Drittstaat ausgeht und auf einem solchen Flughafen ankommt.

10         Art. 11 VO (EG) Nr. 2111/ 2005 gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Linienflug handelt oder nicht, sowie unabhängig davon, ob der Flug Teil einer Pauschalreise ist oder nicht. Die Rechte der Fluggäste nach der Richtlinie 90/314/EWG (sog. Pauschalreise-Richtlinie) und der Verordnung (EWG) Nr. 2299/89 bleiben unberührt.

11         Nach Art. 11 Abs. 1 (EG) Nr. 2111/ 2005 hat der Vertragspartner (vertragliches Luftfahrtunternehmen oder Reiseveranstalter) für die Beförderung im Luftverkehr die Fluggäste bei der Buchung über die Identität der/des ausführenden Luftfahrtunternehmen(s) zu unterrichten und zwar unabhängig vom genutzten Buchungsweg.

12         Ist die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens bei der Buchung noch nicht bekannt, hat der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr sicherzustellen, dass der Fluggast über den Namen der bzw. des Luftfahrtunternehmen(s) unterrichtet wird, die bzw. das wahrscheinlich als ausführende(s) Luftfahrtunternehmen der betreffenden Flüge tätig werden bzw. wird (Art. 11 Abs. 2 VO (EG) Nr. 2111/ 2005), sobald diese Identität feststeht.

13         Wird/werden das bzw. die ausführenden Luftfahrtunternehmen nach der Buchung gewechselt, so leitet der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr unabhängig vom Grund des Wechsels unverzüglich alle angemessenen Schritte ein um sicherzustellen, dass der Fluggast so rasch wie möglich über den Wechsel unterrichtet wird (Art. 11 Abs. 3 VO (EG) Nr. 2111/ 2005). In jedem Fall werden die Fluggäste bei der Abfertigung oder, wenn keine Abfertigung bei einem Anschlussflug erforderlich ist, beim Einstieg unterrichtet.

14         Das Luftfahrtunternehmen oder gegebenenfalls der Reiseveranstalter sorgen dafür, dass der betreffende Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr über die Identität der oder des Luftfahrtunternehmen(s) unterrichtet wird, sobald diese Identität feststeht, insbesondere im Falle eines Wechsels des Luftfahrtunternehmens (Art. 11 Abs. 4 VO (EG) Nr. 2111/ 2005).

 15      Wurde ein Verkäufer von Flugscheinen nicht über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens unterrichtet, so ist er für die Nichteinhaltung des Art. 11 VO (EG) Nr. 2111/ 2005 nicht verantwortlich (Art. 11 Abs. 5 VO (EG) Nr. 2111/ 2005).

16       Die Verpflichtung des Vertragspartners für die Beförderung im Luftverkehr zur Unterrichtung des Fluggasts über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens ist in den für den Beförderungsvertrag geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzuführen (Art. 11 Abs. 6 VO (EG) Nr. 2111/ 2005).

 17       Die Mitgliedstaaten müssen nach Art. 13 VO (EG) Nr. 2111/ 2005 zur Einhaltung dieser Pflichten erforderlichen Maßnahmen treffen und für Verstöße gegen diese Regeln Sanktionen festlegen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen.

18         Klärt ein Luftfahrtunternehmen den Fluggast nicht über seine Rechte bei einer Flugverspätung auf, so muss es die Kosten für die zur Informationsbeschaffung notwendige Einschaltung eines Rechtsanwalts ersetzen (AG Hannover 31.07.2012 – 517 C 13641/11, NJW-RR 2013, 381; AG Düsseldorf 11.06.2013 – 43 C 15606/12, Rn 15, juris; AG Frankfurt 08.11.2013 – 32 C 2687/13-41; LG Frankfurt 05.12.2014 – 2-24 S 49/14, RRa 2015, 24; aA AG Charlottenburg 17.01.2014 – 234 C 237/13); AG Bremen 12.06.2014 – 9 C 72/14, NJW-RR 2014, 1142). Das hat der BGH mit Urteil vom 25.02.2016 – X ZR 35/15, RRa 2016, 183 bestätigt für den Fall, dass die erteilten Hinweise lückenhaft, unverständlich oder sonst so unklar sind, dass der Fluggast nicht sicher erkennen kann, was er tun muss.