Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

a) „Luftfahrtunternehmen“ ein Lufttransportunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung;

b) „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen ei-ner anderen – juristischen oder natürlichen – Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt;

c) „Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft“ ein Luftfahrtunternehmen mit einer gültigen Betriebsgenehmigung, die von einem Mitglied-staat gemäß der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen erteilt wurde;

d) „Reiseunternehmen“ einen Veranstalter im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen, mit Ausnahme von Luftfahrtunternehmen;

e) „Pauschalreise“ die in Artikel 2 Nummer 1 der Richtlinie 90/314/EWG definierten Leistungen;

f) „Flugschein“ ein gültiges, einen Anspruch auf Beförderungsleistung begründendes Dokument oder eine gleichwertige papierlose, auch elekt-ronisch ausgestellte Berechtigung, das bzw. die von dem Luftfahrtunter-nehmen oder dessen zugelassenem Vermittler ausgegeben oder geneh-migt wurde;

g) „Buchung“ den Umstand, dass der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde;

h) „Endziel“ den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Flu-ges; verfügbare alternative Anschlussflüge bleiben unberücksichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird;

i) „Person mit eingeschränkter Mobilität“ eine Person, deren Mobilität bei der Benutzung von Beförderungsmitteln aufgrund einer körperlichen Behinderung (sensorischer oder motorischer Art, dauerhaft oder vorübergehend), einer geistigen Beeinträchtigung, ihres Alters oder auf-grund anderer Behinderungen eingeschränkt ist und deren Zustand besondere Unterstützung und eine Anpassung der allen Fluggästen bereitgestellten Dienstleistungen an die Bedürfnisse dieser Person erfordert;

j) „Nichtbeförderung“ die Weigerung, Fluggäste zu befördern, obwohl sie sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben, sofern keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzu-reichenden Reiseunterlagen;

k) „Freiwilliger“ eine Person, die sich unter den in Artikel 3 Absatz 2 genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden hat und dem Aufruf des Luftfahrtunternehmens nachkommt, gegen eine entsprechende Gegenleistung von ihrer Buchung zurückzutreten;

l) „Annullierung“ die Nichtdurchführung eines geplanten Fluges, für den zumindest ein Platz reserviert war.

I. Begriffsdefinitionen

1. Ausführendes Luftfahrtunternehmen

1    Nach Art. 2 lit. a – c VO ist ein „Luftfahrtunternehmen“ nur ein solches, das eine gültige Betriebserlaubnis hat, und im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Es ist unerheblich, ob diese andere Person eine natürliche oder juristische Person ist.

2    Ein „Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft“ ist ein Luftfahrtunternehmen, dem von einem Mitgliedstaat eine gültige Betrieb-genehmigung erteilt wurde, die den Anforderungen der Verordnung (EWG) Nr. 2407/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über die Erteilung von Betriebsgenehmigungen an Luftfahrtunternehmen entspricht. Die vorerwähnte Verordnung ist nunmehr Bestandteil der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 24.09.2008 = NJW-RR 2013, 1068 = TranspR 2013, 307); siehe auch die Zusammenfassung bei: Hausmann).

3    Nach der Legaldefinition in Art. 2 lit. b VO ist ein „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ ein Luftfahrtunternehmen, das im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast oder im Namen einer anderen − ju-ristischen oder natürlichen − Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht, einen Flug durchführt oder durch-zuführen beabsichtigt; wer Betreiber des eingesetzten Fluggerätes ist, spielt für die Frage, wer den Flug als „ausführendes Luftfahrtunter-nehmen“ durchführt, keine Rolle (AG Frankfurt, Urt. v. 29.03.2012 – 31 C 2809/12-78, RRa 2012, 235; BG Schwechat, Urt. v. 11.02.2014 – 16 C 164/13h).

4    Wahl (RRa 2013, 262 ff.) vertritt die Ansicht, dass die 1. Alter-native („durchführt“) sich nur auf die Fälle der Verspätung beziehe, während die 2. Alternative („durchzuführen beabsichtigt“) nur für die Fälle der Annullierungen eines Fuges gelte und daher nicht bei Flug-verspätungen angewendet werden könne (vgl. auch AG Rüsselsheim, Urt. v. 11.04.2013 – 3 C 3406/12-33). Da Art. 2 lit b VO eine solche Differenzierung aber gerade nicht vornimmt, ist das nicht überzeugend (ebenso BG Schwechat, Urt. v. 11.02.2014 – 16 C 164/13h).

5    Der BGH hat sich für den Fall von Code-share-Flügen mit der Frage auseinandergesetzt, wer als ausführendes Luftfahrtunternehmen anzusehen ist. Im Urteil vom 26.11.2009 (Xa ZR 132/08, RRa 2010, 85 = NJW 2010, 1522 = EuZW 2010, 271 = ZLW 2012, 431) hat er in Rn. 9 ff. ausgeführt:

„[9] Die mit dieser Auslegung einhergehende Differenzierung zwischen den verschiedenen Luftfahrtunternehmen, denen sich der Fluggast bei einem Flug gegenübersehen kann, ist nicht nur der Legaldefinition des „ausführenden Luftfahrtunternehmens“ mit der dort beschriebenen Möglichkeit zu entnehmen, dass der Flugreisevertragspartner des Fluggastes mit dem den Flug tatsächlich durchführenden Luftfahrtunternehmens nicht identisch und dann auch nicht als ein ausführendes Luftfahrtunternehmen einzustufen ist. Die Unterscheidung findet sich darüber hinaus in weiteren Bestimmungen der Verordnung wieder. So sind nach der Regelung in Art. 3 Abs. 5 Satz 2 die Leistungen, mit denen das ausführende Luftfahrtunternehmen seine Verpflichtungen aus der Verordnung gegenüber einem Fluggast erfüllt, mit dem es in keiner Vertragsbeziehung steht, als für das vertraglich verpflichtete Unternehmen erbracht anzusehen. Nach Art. 13 VO kann das ausführende Luftfahrtunternehmen, das Ausgleichszahlungen an Fluggäste leistet oder sonstige sich aus der Verordnung ergebende Pflichten erfüllt, den Vertragspartnern der Fluggäste gegenüber Regress nehmen.

[10] b) Dasselbe Verständnis vom Begriff des ausführenden Luftfahrtunternehmens als des Unternehmens, das die Beförderung tatsächlich bewirkt, liegt auch den internationalen Bestimmungen des Montrealer Übereinkommens vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (ABl. EG Nr. L 194 v. 18.07.2001, S. 39; BGBl. 2004 II, 458) zugrunde. Auf dessen Vorgaben zu den Verpflichtungen des ausführenden Luftfahrt-unternehmens bezieht sich die Verordnung, deren Bestimmungen jene des Montrealer Übereinkommens ergänzen (vgl. EuGH, Urt. v. 10.01.2006 – Rs. C-344/04, Slg. 2006, I-403 = RRa 2006, 127= NJW 2006, 351, Tz. 46 – IATA und ELFAA), in Erwägungsgrund 14 ausdrück-lich. In den Regelungen, die das Montrealer Übereinkommen in Kapitel V zur Luftbeförderung durch einen anderen als den vertraglichen Luft-frachtführer vorsieht, wird einleitend mit den Legaldefinitionen in Art. 39 ebenfalls unterschieden zwischen dem vertraglichen Luftfrachtführer, der mit einem Reisenden bzw. Absender einen Beförderungsvertrag ge-schlossen hat, und dem ausführenden Luftfrachtführer, bei dem es sich um „eine andere Person“ handelt, die aufgrund einer Vereinbarung mit dem vertraglichen Luftfrachtführer berechtigt ist, die Beförderung ganz oder teilweise auszuführen. Aus dieser Abgrenzung und Wortwahl des Montrealer Übereinkommens ist in Übereinstimmung mit der hierzu im Schrifttum wohl einhellig vertretenen Auffassung (vgl. Pokrant, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB [2. Aufl.], MÜ Art. 39 Rn. 6 m.w.N.; MünchKomm-BGB/Tonner [5. Aufl.], nach § 651 Rn. 15 m.w.N.; Dett-ling-Ott, in: Giemulla/Schmid, Frankfurter Kommentar zum Luftver-kehrsrecht, Bd. 3, [30. Aufl. 2007], Art. 39 MÜ Rn. 7, 17 f.) für die Auslegung des Begriffs des ausführenden Luftfrachtführers das Erfordernis abzuleiten, dass dieser mit dem von ihm betriebenen Flugzeug die Beförderung tatsächlich durchführt.

[11] c) Gestützt wird die Auslegung des Begriffs des „ausführenden Luftfahrtunternehmens“, für den allein entscheidend ist, dass es den Flug tatsächlich durchführt, auch durch die weitere Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2005 über die Erstellung einer gemeinschaftlichen Liste der Luftfahrtunternehmen, gegen die in der Gemeinschaft eine Betriebs-untersagung ergangen ist, sowie über die Unterrichtung von Fluggästen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens und zur Aufhebung des Art. 9 der Richtlinie 2004/36/EG (ABl. EG L 344 v. 27.12.2005, S. 15; im Folgenden: VO (EG) Nr. 2111/2005). Die Ver-ordnung (EG) Nr. 2111/2005 verwendet ebenfalls den Begriff des „ausführenden Luftfahrtunternehmens“ mit derselben Legaldefinition in Art. 2 Buchst. e und grenzt ihn ab von dem „Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr“, der in Art. 2 Buchst. c definiert wird als das Luftfahrtunternehmen, das einen Beförderungsvertrag mit einem Fluggast schließt. In Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 wird der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr dazu verpflich-tet, die Fluggäste bei der Buchung über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens zu unterrichten. Dass es sich dabei um das den Flug tatsächlich durchführende Unternehmen handelt, wird in den Er-wägungsgründen 11, 13 und 14 zu dieser Vorschrift ausdrücklich er-wähnt. Mit der Regelung des Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 hat der Verordnungsgeber zudem gerade auf die Praxis des Code-Sharing reagiert, wie Erwägungsgrund 13 der Verordnung 2111/2005 belegt. Dort wird unter beispielhaftem Bezug auf das Code-Sharing die Branchenpraxis im Linienflugverkehr dargestellt, dass das Luftfahrtunternehmen, das einen Flug unter seinem Namen verkauft hat, diesen nicht tatsächlich durchführt“. Hierzu wird in Erwä-gungsgrund 13 der Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 weiter auf den Missstand hingewiesen, dass der Fluggast bisher keinen Anspruch darauf hatte, über die Identität des Luftfahrtunternehmens, das ihn tat-sächlich befördert, unterrichtet zu werden. Die Vorschrift des Art. 11 der Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 ist nunmehr Grundlage dafür, dass in ihrem Geltungsbereich – d.h. bei Verträgen über eine Beförderung, die in der Gemeinschaft begonnen hat (Art. 10 Abs. 1 VO), das Luftfahrt-unternehmen anzugeben ist, das im Rahmen eines Code-Sharing den Flug auf dem betreffenden Streckenabschnitt tatsächlich ausführt. Hierdurch wird dem Fluggast die Wahrnehmung seiner Rechte gegen dieses Unternehmen ermöglicht.“ Vgl. dazu auch LG Linz, Urt. v. 24.02.2011, RRa 2011, 156)

6    Muss ein Luftfahrtunternehmen, das nach der Planung einen Flug durchführen sollte, ein anderes Luftfahrtunternehmen kurzfristig und ungeplant mit der Durchführung beauftragen (z.B. weil sein ei-genes Luftfahrzeug wegen eines technischen Problems oder wegen Besatzungsmangels nicht einsetzt werden kann), so liegt nach Ansicht von Wahl (RRa 2013, 262 ff.) eine „faktische“ Annullierung des geplanten Fluges vor (so auch AG Rüsselsheim, Urt. v. 11.04.2013 – 3 C 3406/12-33). Dem kann aber nur gefolgt werden, wenn der Ersatzflug (Subcharter-Flug) von dem anderen Luftfahrtunternehmen mit einer eigenen Flugnummer und eigenen Zeitfenstern (Slots) durchgeführt wird. In der Regel nutzt aber das Subcharterunternehmen die Flugnummer und die Slots des beauftragenden Luftfahrtunternehmens und ist den operativen Weisungen des Auftraggebers unterworfen. Als „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ ist in solchen Fällen das beauftragende Luftfahrtunternehmen anzusehen, weil es den Flug durchzuführen beabsichtigt“ hat (so auch: AG Rüsselsheim, a.a.O.; AG Rüsselsheim, Urt. v. 20.12.2013 – 3 C 3247/13-37; RRa 2014, 258 = BeckRS 2014, 18889; Wahl RRa 2013, 262 ff.). Bei einer anderen Auslegung bestünde die Gefahr der Manipulation, die zur Verschlechterung der Rechte der Fluggäste führen könnte (z.B. wenn bei einem Flug in das Gebiet der Europäischen Union ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ein nicht-europäisches Luftfahrtunternehmen einsetzen würde).

7       Anders verhält es sich, wenn der Fluggast, der einen Flug bei dem Luftfahrtunternehmen A bucht, bereits mit oder kurz nach der Bestätigung des Fluges durch das vertragliche Luftfahrtunternehmen (und damit in der Regel nicht kurzfristig)erfährt, dass er von dem Luftfahrtunternehmen B. befördert werden wird. In der Regel geschieht das durch eine meist mittelfristige sog. wet-lease-Vereinbarung („Nass- Miete“) zwischen dem Luftfahrtunternehmen A dem Unternehmen B, in der festgelegt wird, dass das geleaste (angemietete) Unternehmen mit a) einem eigenem von ihm zu stellenden Flugzeug und b) mit eigener Besatzung (= wet) den Flug unter der Flugnummer des A durchführt, wobei in der Regel der Vermieter zusätzlich auch für Versicherung, Wartung und Betrieb des Flugzeuges verantwortlich bleibt (ACMI-Vertrag) und der Mieter sich nur um die Einsatzplanung und den Verkauf der Sitzplatzkapazitäten kümmern muss (zur Vertiefung siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Flugzeug-Leasing). In einem solchen Fall ist dann das vermietende Luftfahrtunternehmen dasjenige, das „den Flug durchführt oder durchzuführen beabsichtigt“ (so auch LG Korneuburg, Urt. v.19.06.2015 – 22 R 51/15b).

8    Das LG Frankfurt hat dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob der Annahme, dass ein ausführendes Luftfahrtun-ternehmen auch ein anderes Luftfahrtunternehmen als der Vertrags-partner des Fluggastes sein kann, die Tatsache entgegenstehe, dass der Vertragspartner entgegen Art. 11 VO (EG) Nr. 2111/2005 den Fluggast nicht über den Wechsel des ausführenden Luftfahrtunternehmen informiert hat, weshalb der Fluggast annehmen durfte, dass der Vertragspartner lediglich ein Flugzeug eines anderen Luftfahrtunternehmens i.S.d. Erwägungsgrundes 7 VO angemietet hat (Beschl. v. 29.11.2012 – 2-24 S 104/12, RRa 2014, 39 = ADAJUR Dok.Nr. 104222). Das Verfahren wurde beim EuGH als Rs. C-116/12 – Langenbächer ./. Condor geführt, wurde aber wieder aus dem Register gestrichen, nachdem das Luftfahrtunternehmen die Berufung zurückgenommen hatte). Das Verfahren wurde beim EuGH als Rs. C-116/12 – Langenbächer ./. Condor geführt, wurde aber wieder aus dem Register gestrichen, nachdem das Luftfahrtunternehmen die Berufung zurückgenommen hatte.

9    Schon im Jahr 2008 hat der BGH (Beschl. v. 11.03.2008 − X ZR 49/07, RRa 2008, 175) klargestellt, dass ein Reiseveranstalter, der zwar „vertraglicher Luftfrachtführer“ i.S.d. Montrealer Übereinkommens sein kann, kein „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ i.S.d. Verordnung ist. Infolgedessen ist ein Reiseveranstalter für Ansprüche aus der Ver-ordnung nicht passiv-legitimiert. Gleichermaßen hat das AG Düsseldorf entschieden (Urt. v. 27. 03. 2007 − 230 C 16700/09, RRa 2008, 142).

10    Ein Tochterunternehmen eines Luftfahrtunternehmens wird jedenfalls dann nicht „zum ausführenden Luftfahrtunternehmen“, wenn es zwar den Flug durchführt, dieser aber ausschließlich unter einer Flugnummer des Mutterunternehmens abgewickelt wird (AG Bremen, Urt. v. 18.01.2013 – 4 C 516/11, RRa 2013, 191). Dies gilt nach Ansicht des AG Hannover (Urt. v. 06.12.2012 – 452 C 5686/12. RRa 2014, 56) jedenfalls dann, wenn bei einer Umsteigeverbindung (z.B. Hannover – Paris – Havanna) auf dem Flugschein als „Luftfahrtunternehmen“ für beide Flüge nur das Mutterunternehmen angegeben wird.

10a    Dass eine bestimmte Fluggesellschaft „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ war, ist eine für den Fluggast günstige, weil anspruchsbegründende Tatsache, für das der Fluggast als Kläger im Zivilprozess voll Darlegungs- und Beweislast trägt. Etwas anderes gilt nach zutreffender Ansicht des LG Düsseldorf (Urt. v. 13.12.2014 – 22 S 234/12, RRa 2014, 208 = BeckRS 2014, 17370 = juris), wenn sich das beklagte Luftfahrtunternehmen im Nachgang zur gescheiterten Beförderung wie das ausführende Luftfahrtunternehmen verhält, indem es sich mit der Abwehr der vom Fluggast geltend gemachten Ansprüche befasst hat. In diesem Fall muss das in Anspruch genommene Luftfahrtunternehmen darlegen und beweisen, dass es nicht „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ war.

10b      Weiteres Tatbestandsmerkmal des Art. 2 lit. b VO ist, dass das „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ den Flug

  • „im Rahmen eines Vertrags mit einem Fluggast“ oder
  • „im Namen einer anderen − juristischen oder natürlichen − Person, die mit dem betreffenden Fluggast in einer Vertragsbeziehung steht“,

durchführt oder durchzuführen beabsichtigt. Nach dem Wortlaut muss nicht zwingend ein Vertragsverhältnis zwischen dem befördernden Luftfahrtunternehmen und dem Fluggast bestehen; er muss nur aufgrund eines Vertragsverhältnisses befördert werden. Dazu reicht z.B. ein Flugpauschalreisevertrag mit einem Reiseunternehmen (so auch BG Schwechat, Urt. v. 24.04.2015 – 18 C 374/14g-23) befördert.

11         Dass das verklagte Luftfahrtunternehmen „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ war oder sein sollte, ist eine für den Kläger günstige, weil anspruchsbegründende Tatsache, für die dieser die volle Darlegungs- und Beweislast zu tragen hat (so LG Düsseldorf, Urt. v, 13.12.2013 – 22 S 234/12, RRa 2014, 208 = BeckRS 2014, 17370 = juris). Das beklagte Luftfahrtunternehmen muss dann substantiiert (d.h. unter Angabe des Luftfahrtunternehmens, das den Flug durchgeführt hat oder durchführen sollte) bestreiten, ausführendes Luftfahrtunternehmen gewesen zu sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn es im vorprozessual geführten Schriftverkehr mit dem Fluggast seine Einstandspflicht nicht sogleich mit dem Hinweis darauf abgelehnt hat, nicht ausführendes Luftfahrtunternehmen zu sein. Weil es durch dieses Verhalten den Eindruck erweckt hat, es betrachte sich als das ausführende Luftfahrtunternehmen, obliegt es ihm, das Gegenteil zu beweisen (LG Düsseldorf, a.a.O.). Der Kläger kann das Luftfahrtunternehmen auch auf Ersatz des Schadens verklagen, der bei ihm dadurch eingetreten ist, dass er das Luftfahrtunternehmen aufgrund seines vorgerichtlichen Verhaltes als richtigen Anspruchsgegner für einen Anspruch aus der Fluggastrechte-Verordnung angesehen und dadurch unnütze Kosten verursacht hatte, die nicht entstanden wären, wenn die Beklagte sofort offenbart hätte, dass sie nicht passivlegitimiert ist (LG Düsseldorf, a.a.O.).

2. Reiseunternehmen (lit. d)

12   EinReiseunternehmen“ ist nach Art. 2 lit. d VO ein „Veranstalter“ nach Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13.6.1990 über Pauschalreisen (ABl. EG 1990 L 158, 59). Das ist eine Person, die nicht nur gelegentlich Pauschalreisen organisiert und sie zum Pauschalpreis direkt oder über einen Vermittler verkauft oder zum Verkauf anbietet.

12a    Dass das verklagte Luftfahrtunternehmen „ausführendes Luftfahrtunternehmen“ war oder sein sollte, ist eine für den Kläger günstige, weil anspruchsbegründende Tatsache, für die dieser die volle Darlegungs- und Beweislast zu tragen hat (so LG Düsseldorf, Urt. v, 13.12.2013 – 22 S 234/12, RRa 2014, 208 = BeckRS 2014, 17370 = juris). Das beklagte Luftfahrtunternehmen muss dann substantiiert (d.h. unter Angabe des Luftfahrtunternehmens, das den Flug durchgeführt hat oder durchführen sollte) bestreiten, ausführendes Luftfahrtunternehmen gewesen zu sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn es im vorprozessual geführten Schriftverkehr mit dem Fluggast seine Einstandspflicht nicht sogleich mit dem Hinweis darauf abgelehnt hat, nicht ausführendes Luftfahrtunternehmen zu sein. Weil es durch dieses Verhalten den Eindruck erweckt hat, es betrachte sich als das ausführende Luftfahrtunternehmen, obliegt es ihm, das Gegenteil zu beweisen (LG Düsseldorf, a.a.O.). Der Kläger kann das Luftfahrtunternehmen auch auf Ersatz des Schadens verklagen, der bei ihm dadurch eingetreten ist, dass er das Luftfahrtunternehmen aufgrund seines vorgerichtlichen Verhaltes als richtigen Anspruchsgegner für einen Anspruch aus der Fluggastrechte-Verordnung angesehen und dadurch unnütze Kosten verursacht hatte, die nicht entstanden wären, wenn die Beklagte sofort offenbart hätte, dass sie nicht passiv-legitimiert ist (LG Düsseldorf, a.a.O.).

3. Pauschalreise (lit. e)

13    Eine „Pauschalreise“ i.S.v. Art. 2 lit. e VO ist nach Art. 2 Nr. 1 der RL 90/314/EWG vom 13.6.1990 über Pauschalreisen (ABl. EG Nr. L 158 vom 23.06.1990, S. 59) eine im voraus festgelegte Verbindung von mindestens zwei touristischen Dienstleistungen, die zu einem Gesamtpreis verkauft oder zum Verkauf angeboten wird, wenn diese Reiseleistungen länger als 24 Stunden dauern und eine Über-nachtung einschließen. Solche Dienstleistungen sind Beförderung, Unterbringung und andere touristische Dienstleistungen, die nicht Nebenleistungen von Beförderung oder Unterbringung sind und einen beträchtlichen Teil der Gesamtleistung ausmachen. Auch bei getrennter Berechnung einzelner Leistungen, die im Rahmen ein und derselben Pauschalreise erbracht werden, bleibt der Veranstalter oder Vermittler den Verpflichtungen nach dieser Richtlinie unterworfen.

4. Flugschein (lit. f)

14    Unter einem „Flugschein“ i.S.v. Art. 2 lit. f VO ist jedes gültige Schriftstück zu verstehen, das gegenüber einem Luftfahrtunternehmen den Anspruch einer darin benannten Person (Fluggast) auf Beförderungsleistung begründet. Das Dokument muss keinen bestimmten Formerfordernissen entsprechen; insbesondere ist nicht erforderlich, dass es in Form, Inhalt und Größe den IATA-Bestimmungen entspricht. Ein Flugschein i.S.d. Verordnung kann auch eine elektronisch ausgestellte oder eine papierlose Berechtigung sein. Voraussetzung ist jedoch in allen Fällen, dass das Dokument oder die sonstigen Berechtigungen von dem Luftfahrtunternehmen oder von einem von ihm zugelassenen Vermittler oder Reiseveranstalter ausgegeben oder genehmigt wurde.

5. Buchung (lit. g)

15    Eine „Buchung“ liegt vor, wenn der Fluggast über einen Flugschein oder einen anderen Beleg verfügt, aus dem hervorgeht, dass die Buchung eines bestimmten Fluges von dem Luftfahrtunternehmen oder dem Reiseunternehmen akzeptiert und registriert wurde. Hat ein Luftfahrtunternehmen einen Fluggast unstreitig im Rahmen einer Flugpauschalreise befördert, ist vom Bestehen einer entsprechenden Buchung auszugehen (AG Frankfurt, Urt. v. 08.02.2013 – 30 C 2290/12-47, RRa 2013, 190 = BeckRS 2013, 13954 0 = LSK 2013, 341074).

16    Gibt ein Flugreisender aber über eine im Internet zur Verfügung gestellte Buchungsmaske eines Luftfahrtunternehmens in die Felder für Vor- und Zuname des Fluggastes jeweils »noch unbekannt« ein, kommt ein Beförderungsvertrag regelmäßig weder durch die Buchungsbestätigung noch durch die Einziehung des Flugpreises durch das Luftfahrt-unternehmen zustande. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Buchen-den der Hinweis erteilt wurde, dass eine Namensänderung nach erfolgter Buchung nicht mehr möglich ist und der angegebene Name mit dem Namen im Ausweis übereinstimmen muss (BGH, Urt. v. 16.10.2012 – X ZR 37/12, BGHZ 195, 126 = RRa 2013, 23 = NJW 2013, 598 = ZLW 2013, 520).

6. Endziel (lit. h)

17    Der Begriff „Endziel“ wird in Art. 2 lit. h VO definiert als der Zielort auf dem Flugschein, den der Fluggast am Abfertigungsschalter vorlegt. Schließt sich bei zwei aufeinanderfolgenden Flügen der zweite Flug als »direkter Anschlussflug« unmittelbar an, ist der Zielort des Anschlussfluges das Endziel (AG Hannover, Urt. v. 05.12.2012 – 451 C 987/11, RRa 2012, 132). Dies ist von Bedeutung für die Berechnung der Höhe der Ausgleichsleistung, weil bei direkten Anschlussflügen die Streckenentfernung vom Startflughafen zum Zielflughafen des Anschlussfluges berechnet wird; der Zielflughafen des ersten Fluges ist nur Zwischenlandeort und bleibt dabei unberücksichtigt (siehe dazu EuGH, Urt. v. 26.02.2013, Rs. C-11/11 − Air France ./. Folkerts, RRa 2013, 78 so-wie LG Hannover, Urt. v. 10.10.2012 – 12 S 19/12, RRa 2013, 88= BeckRS, 07399; LG Hannover, Beschl. v. 07.11.2013 – 14 S 1/13). Ob das nur gilt, wenn beide Flüge vom selben Luftfahrtunternehmen durchgeführt werden, ist noch streitig. Ein Spruchkörper des AG Rüsselsheim hat geurteilt, dass für die Feststellung einer haftungsrelevanten Verspätung nur auf das Endziel des Fluges abzustellen ist, den das beklagte Luftfahrtunternehmen durchgeführt hat, wenn es für den Anschlussfluge nicht das ausführende Luftfahrtunternehmen gewesen ist (Urt. v. 17.09.2014 – 3 C 3786/14-36).

7. „Personen mit eingeschränkter Mobilität“ (lit. i)

18    Der Begriff des „Flugreisenden mit eingeschränkter Mobilität“ ist nahezu deckungsgleich mit der Definition in Art. 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 vom 05.07.2006 (ABl. EG 2006 L 204,1). Auch wenn die dort verwendete Definition des „behinderten Menschen“ in der Fluggastrechte-Verordnung nicht ausdrücklich erwähnt wird, ändert das nichts daran, dass auch diese Personengruppe mit umfasst ist.

8. Nichtbeförderung (lit. j)

19    Nach Art. 2 lit. j VO liegt eine „Nichtbeförderung“ vor, wenn sich ein Luftfahrtunternehmen weigert, Fluggäste zu befördern, obwohl diese sich unter den in Art. 3 Abs. 2 VO genannten Bedingungen am Flugsteig eingefunden haben und keine vertretbaren Gründe für die Nichtbeförderung gegeben sind, z. B. im Zusammenhang mit der Gesundheit oder der allgemeinen oder betrieblichen Sicherheit oder unzureichenden Reiseunterlagen. Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass die Verordnung lediglich die Ausgleichsleistung bei Überbuchung des Fluges regelt (Urt. v. 29.05.2008 – 16 U 39/08, RRa 2008, 179 = NJW 2009, aufgehoben durch BGH, Urt. v. 23.04.2009 – X ZR 78/08, RRa 2009, 239 = NJW 2009, 274; so auch schon: AG Hamburg, Urt. v. 05.12.2006 – 14 C 248/06, RRa 2007, 88 = BeckRS 2007, 08891= juris. Siehe dazu Schmid NJW 2009, 2724).

20    In der Rechtssache Finnair ./. Lassooy (C-22/11, RRa 2012, 281 = NJW 2013, 361 = TranspR 2013, 456) hat der EuGH am 04.10.2012 entschieden, dass der Begriff „Nichtbeförderung“ sich – anders als noch in der (Vorgänger-)Verordnung (EG) Nr. 295/91 – nicht nur auf die Nichtbeförderung wegen Überbuchung bezieht, sondern sich auch auf die Nichtbeförderung aus anderen Gründen (z. B. betrieblichen Gründen wie ein Streik) erstreckt (so auch: LG Korneuburg, Urt. v. 15.04.2016 – 22 R 6/16m).

21    In seinem Urteil vom 04.10.2012 (Rs. C-321/11 – Rodríguez Cachafeiro ./. Iberia, RRa 2012, 279 f. = NJW 2013, 363 = EuZW 2012, 943 = TranspR 2013, 453) hat der EuGH dann klargestellt, dass eine „Nichtbeförderung“ auch dann gegeben ist, wenn ein Luftfahrtunternehmen im Rahmen eines einheitlichen Beförderungsvertrags, der mehrere Buchungen auf unmittelbar aufeinanderfolgenden und gleichzeitig abgefertigten Flügen umfasst, bestimmten Fluggästen die Beförderung verweigert, weil es auf dem ersten in ihrer Buchung ausgewiesenen Flug zu einer von diesem Unternehmen zu vertretenden Verspätung gekommen ist und das Unternehmen irrig angenommen hat, die Fluggäste würden den zweiten Flug nicht rechtzeitig erreichen.

21a    Umstritten und höchstrichterlich noch nicht entschieden ist die Frage, ob bei einer Vorverlegung eines Fluges durch ein Luftfahrtunternehmen von einer Annullierung des ursprünglichen Fluges oder einer Nichtbeförderung des Fluggastes auszugehen ist. Das LG Hannover hat mit Urt. v. 04.06.2014 – 6 S 4/14 (BeckRS 2015, 03100 = juris) angenommen, dass eine Vorverlegung eines Fluges keine Annullierung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art. 2 lit. l VO sei und die Voraussetzungen einer analogen Anwendung der Vorschriften wie im Falle der großen Verspätung eines Fluges nicht vorlägen. Im Revisionsverfahren (X ZR 59/14) hat der BGH in einer vorläufigen Bewertung des Sachverhalts während der mündlichen Verhandlung die Ansicht geäußert, dass bei einer „mehr als nur geringfügigen Vorverlegung“ eines geplanten Fluges unter (nicht näher dargelegten) bestimmten Voraussetzungen eine Flugvorverlegung einer Annullierung gleichkommen könne. Daraufhin hat die Beklagte nach Schluss der mündlichen Verhandlung den Anspruch anerkannt, so dass der BGH das nicht näher ausführen konnte. Das AG Hannover (Urt. v. 11.04.2011 – 512 C 15244/10, RRa 2011, 146 = BeckRS 2011, 17050) und das LG Landshut (Urt. v. 18.05.2015 – 12 S 2435) haben zutreffend entschieden, dass eine Vorverlegung eines Fluges um mehr als 10 Stunden wie eine Annullierung zu behandeln ist; das BG Schwechat (Urt. v. 07.12.2015 – 4 C 284/15-14) geht schon bei einer Vorverlegung von 4 Stunden von einer Annullierung aus. Dem ist zuzustimmen, weil der Fluggast auch in diesem Fall ebenso ärgerlich und mit großen Unannehmlichkeiten (frühere Anreise, entsprechende Umplanungen, Buchung einer andernfalls nicht erforderlichen Unterkunft etc.) belastet ist wie bei einer Nichtbeförderung. Ärger und Unannehmlichkeiten zu vermeiden, jedenfalls aber zu verringern ist einer der Hauptzwecke der Verordnung (siehe Erwägungsgrund 12).

21b   Wird aber ein Fluggast von einem Flug auf einen anderen Flug (mit anderer Flugnummer!) umgebucht, kann nicht von einer Annullierung ausgegangen werden – auch dann nicht, wenn die Abflugzeit des anderen Fluges vor der des gebuchten liegt. Vielmehr liegt in diesem Fall, auf den gebuchten Flug bezogen, eine Nichtbeförderung vor, so dass Art. 4 VO analog anzuwenden ist. So hat es auch der BGH (17.03.2015 – X ZR 34/14, RRa 2015, 184 = NJW 2015,2181 mAnm. Tonner) für den Fall der Umbuchung auf einen später abgehenden Flug entschieden. Es ist aber kein vernünftiger Grund ersichtlich, warum diese Entscheidung nicht grundsätzlich auch auf die Umbuchung eines Fluges anzuwenden ist, wenn der Flug vor dem gebuchten abgeht.

21c    Für eine Annullierung ist kennzeichnend, dass das Luftverkehrsunternehmen seine bisherige Flugplanung endgültig aufgibt. Daraus ergibt sich:
– Wenn ein Fluggast, der auf einem Flug mit einer bestimmten Flug-nummer gebucht war, von einem Luftfahrtunternehmen auf einen anderen, früheren Flug mit einer anderen Flugnummer umgebucht wird, liegt hinsichtlich des ursprünglichen Fluges eine Nichtbeförderung vor (so auch: LG Landshut, Urt. v. 18.05.2015 – 12 S 2435/14, RRa 2015, 235; RRa 2016, 79 = BeckRS 2016, 07188), wenn der ursprüngliche Flug weiter durchführt wird. Wird der ursprüngliche Flug aufgegeben, ist von einer Annullierung auszugehen. Wenn ein Flug aber unter Beibehaltung der geplanten Flugnummer zeitlich nicht unerheblich (z.B. um mehr als drei Stunden) vorverlegt wird, gilt das als Annullierung des Fluges, auch wenn die Planungsänderung langfristig angekündigt wird (so AG Hannover, Urt. v. 11.04.2011 – 512 C 15244/10, RRa 2011, 146 und 195 = BeckRS 2011, 17050 für eine Vorverlegung um 10 Stunden; siehe auch AG Königs Wusterhausen, Urt. v. 15.05.2013 – 4 C 273/13).

21d   Ungeklärt ist, was untere einer „mehr als nur geringfügigen Vorverlegung“ zu verstehen ist. In Anlehnung an die Entscheidung des EuGH in der Rs. Sturgeon ist das jedenfalls bei einer Vorverlegung um drei oder mehr Stunden anzunehmen.

22    Nach Ansicht des BGH (Beschl. v. 16.04.2013 – X ZR 83/12, RRa 2013, 282 = NJW-RR 2013, 1462 = BeckRS 2013, 13359) ist aus den Worten „Weigerung, Fluggäste zu befördern“ abzuleiten, dass der Anspruch des Fluggastes auf dem gebuchten Flug befördert zu werden, durch ein entsprechendes Verhalten oder eine Äußerung eines Mitarbeiters oder Beauftragten des Luftfahrtunternehmens zurückgewiesen wird. Dieses vom BGH kreierte übergesetzliche Tatbestandsmerkmal kann aber jedenfalls nicht stets Bedeutung erlangen: Wenn z.B. ein Fluggast über eine Flugvorverlegung nicht informiert wurde und deswegen zwar in den Buchungsunterlagen „zur vorgegebenen Zeit“, für diesen Flug aber „zu spät“ am (schon geschlossenen) Abfertigungsschalter erscheint und deswegen mit dem vertraglich vereinbarten Flug nicht befördert wird, kann sich ein Luftfahrtunternehmen nicht darauf berufen, sie habe dem Fluggast die Beförderung nicht ausdrücklich verweigert.

23    Der BGH hat in der vorerwähnten Entscheidung auch die Ansicht vertreten, dass der Fluggast, der einen Anspruch wegen Nichtbeförderung geltend machen will, grundsätzlich am Flugsteig anwesend gewesen sein muss und beruft sich dabei auf EuGH in der Rechtssache C-321/11 – Rodriguez Cachafeiro ./. Iberia (4.10.2012, Rn. 19, RRa 2012, 279 = TranspR 2013, 453 = EuZW 2012, 942) und in der Rechtssache C-22/11 Finnair ./. Lassooy (4.10.2012, Rn. 25, 29, RRa 2012, 281 = NJW 2013, 361 = EuZW 2012, 945 = TranspR 2013, 451; siehe dazu auch BGH 30.4.2009 – Xa ZR 78/08, RRa 2009, 239 = NJW 2009, 2740; 28.4.2012 – X ZR 128/11, WM 2012, 2302; Beschl 9.12.2010 – Xa ZR 80/10, RRa 2011, 84 = NJW 2011, 880). Nach der Definition des Art. 2 lit. j VO erscheint diese Ansicht zutreffend. Doch stellt sich die Frage, ob die Beförderungsverweigerung nicht auch schon am Abfertigungsschalter erfolgen kann. Dies hat praktische Bedeutung, wenn ein Fluggast deswegen nicht rechtzeitig am Flugsteig sein kann, weil er trotz rechtzeitigen Erscheinens am Abfertigungsschalter nicht oder nicht rechtzeitig abgefertigt wurde, z.B. weil das Luftfahrtunternehmen zu wenig Personal für die Abfertigung des betreffenden Fluges bereitgestellt hat und somit nur ein Teil der wartenden Passagiere abgefertigt werden kann. Nach der engen Definition des BGH hätten die Fluggäste, denen die Abfertigung in diesem Fall verweigert wird, keine Möglichkeit, überhaupt zum Abflugsteig (Boarding gate) zu gelangen.

24    Die Annahme, dass von einer Beförderungsverweigerung in keinem Fall ausgegangen werden kann, wenn sich der Fluggast nicht am Flugsteig eingefunden hat, hätte zur Folge, dass Fluggäste, die aufgrund einer vom Luftfahrtunternehmen zu vertretenden Verzögerung der Abfertigung nicht rechtzeitig am Flugsteig sein können (z.B. bei einer Vorverlegung der Abflugzeit), völlig schutzlos gestellt wären. Das ist mit dem Ziel der Verordnung, ein hohes Schutzniveau für Fluggäste sicherzustellen, nicht vereinbar und rechtfertigt daher eine weite Auslegung des Begriffs der Nichtbeförderung. (Siehe dazu EuGH, Urt. v. 04.10.2012, Rs. C- 321/11 – Rodriguez Cachafeiro ./. Iberia, Rn. 25, RRa 2012, 279, 280 = NJW 2013, 363 = EuTW 2012, 943). In Anbetracht dessen muss auch die Verweigerung der Beförderung am Abfertigungsschalter (Check-in) grundsätzlich vom Begriff »Nichtbeförderung« im Sinne von Art. 2 lit. j VO erfasst sein. Eine Klausel in Allgemeinen Beförderungsbestimmungen eines Luftfahrtunternehmens zum Check-in, die nicht auf das rechtzeitige Einfinden des zu befördernden Passagiers im Abfertigungsbereich des Luftfahrtunternehmens abstellt, sondern auf die rechtzeitige Abfertigung des Fluggastes, ist gemäß § 307 BGB unwirksam (AG Bremen, Urt. v. 26.07.2012 – 9 C 91/12, BeckRS 2012, 16200 = juris).

24a    Der BGH hat dann mit Urteil vom 17.03.2015 (X ZR 34/14, RRa 2015, 184 = NJW 2015, 2181) auch entschieden, dass ein Luftfahrtunternehmen grundsätzlich auch dann zu einer Ausgleichszahlung wegen Nichtbeförderung verpflichtet ist, wenn es einen Fluggast, der über eine bestätigte Buchung für einen Flug verfügt, die Beförderung auf dem gebuchten Flug verweigert, bevor sich dieser zur vorgegebenen Zeit zur Abfertigung für den gebuchten Flug einfinden kann (so auch AG Düsseldorf 14.08.2015 – 37 C 15236/14, RRa 2016, 196).

25    Vertretbare Gründe“, die ein Luftfahrtunternehmen, das die Beförderung eines Fluggastes verweigert hat, entlasten können, sind nur solche, die in der Person des Fluggastes liegen (z. B. ein fehlendes Visum oder Gesundheitspapiere, gesundheitliche Gründe), die den Flugverkehr oder andere Passagiere in ihrer Sicherheit gefährden oder sonstige, öffentliche oder vertragliche Belange berühren; allgemeine oder betriebliche Risiken können nicht berücksichtigt werden (so auch AG Düsseldorf 14.08.2015 – 37 C 15236/14, RRa 2016, 196). Gründe wie die personelle Unterbesetzung eines Abfertigungsschalters oder die Umorganisation des Flugplanes nach dem Eintritt außergewöhnlicher Umstände (Streik des Flughafenpersonals), stammen aus dem betrieblichen Risiko und können daher nicht nicht als „vertretbare Gründe“ angesehen werden (EuGH 04.10.2012, Rs. C 22-11 – Finnair ./. Lassooy, Rn 40, RRa 2012, 281= NJW 2013, 361 = EuZW 2012, 945; so auch Müller-Rostin euvr 2013, 138, (150)). Das LG Frankfurt hat mit Beschluss vom 01.03.2012 – 2-24 S 185/11 (RRa 2012, 122) dem EuGH die Frage vorgelegt, ob auch sonstige Gründe außer in der Person des Fluggastes „vertretbare Gründe“ sein können, wie z.B. Fälle der höheren Gewalt. Das Verfahren wurde beim EuGH als Rs. C-316/12 – Guevara-Kamm ./. TAM geführt; es ist aber mit Beschl. v. 04.12.2012 (→ECLI:EU:C:2012:768) wieder aus dem Register gestrichen worden.

25a    Fraglich ist, ob auch ein vom Luftfahrtunternehmen nicht zu vertretender Grund vorliegt, wenn ein minderjähriger Reisender, der als Fluggast bereits angenommen wurde, den Flug nicht antritt, weil der ihn begleitenden Mutter die Beförderung verweigert wird. Das AG Erding (Urt. v. 05.11.2015 – 8 C 1575/15) hat das bejaht und angenommen, dass nach der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 30.04.2009 – X ZR 78/08, RRa 2009, 239 = NJW 2009, 2740 = EuZW 2009, 586) keine Beförderungsverweigerung gegen seinen Willen, sondern ein freiwilliger Verzicht auf die Beförderung vorliegt. Dem kann nicht gefolgt werden, weil es jedenfalls für ein minderjähriges Kind in der Regel nicht zumutbar ist, allein zu reisen. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn das Kind noch nicht Jugendlicher (14 – 18 Jahre) ist oder – wie im vom AG Erding zu entscheidenden Fall – die Beförderung mit unzutreffender Begründung (angebliche Listung der bei der Bezahlung des Flugpreises verwendeten Kreditkarte auf einer „black list“) verweigert wird.

25b    Wird einem minderjährigen Familienmitglied zu Unrecht die Beförderung mit der fehlerhaften Begründung verweigert, der Kinderreisepass berechtige nicht zur Einreise in das Zielland, so stellt dies nach ständiger Rechtsprechung des LG Frankfurt a.M. (9.4.2015 – 2-24 S 53/14, RRa 2015, 194, ADAJUR Dok. Nr. 108571= juris) bei einer einheitliche gebuchten Familienreise zugleich eine (faktische) unberechtigte Verweigerung der Beförderung der anderen Familienmitglieder dar, wenn diese zwar gewillt sind, den Flug anzutreten, und es nur deshalb nicht tun, weil sie das minderjährige Familienmitglied nicht allein zurück lassen wollen. Das Gericht hat zutreffend entschieden, dass es den übrigen Familienmitgliedern nicht zuzumuten ist, ein minderjähriges Kind alleine am Flughafen zurückzulassen und ohne dieses das Flug anzutreten (vgl. auch 9.5.2014 – 2-24 S 170/13; 7.3.2014 – 2-24 O 240/13; siehe dazu Sauer, RRa 2014, 166 (270)).

25c    Es besteht keine Verpflichtung des Flugunternehmens gegenüber dem Fluggast, beim Check-in dessen Reisedokumente auf ihre Gültigkeit zu überprüfen. Dass solch eine Überprüfung faktisch erfolgt und auch, dass das Luftfahrtunternehmen gegenüber dem Reisenden berechtigt ist, ihm den Zutritt zum Flugzeug zu verwehren, lässt nicht den Schluss zu, dass eine solche Verpflichtung gegenüber dem Reisenden besteht (so: BG Schwechat, Urt. v. 13.03.2013 – 1 C 655/12b).

26    Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass vertretbare Gründe vorgelegen haben, trifft das Luftfahrtunternehmen.

26a    Ein Luftfahrtunternehmen kann das rechtzeitige Erscheinen eines Fluggastes am Check-in nicht mit Nichtwissen bestreiten, da dieser Umstand nicht außerhalb seiner Sphäre liegt. Dies gilt auch dann, wenn das Luftfahrtunternehmen die Aufgabe des Check-in an einen Dritten delegiert hat, weil es auch dann die Möglichkeit hat, sich entsprechende Informationen zu beschaffen (AG Erding, Urt. v. 05.11.2015 – 8 C 1575/15)

II. Wichtige nicht definierte Begriffe

1. „Fluggast“

27    Auch der wichtige Begriff „Fluggast“ ist in der Verordnung nicht definiert, obwohl er einer der zentralen Begriffe des Regelwerkes ist. Er kann daher nur mittelbar aus der Verordnung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck bestimmt werden.

28    Fluggast bzw. „Reisender“ i.S.d. Montrealer Übereinkommens ist zunächst derjenige, der aufgrund eines Luftbeförderungsvertrages einen Beförderungsanspruch gegen den vertraglichen oder ausführenden Luftfrachtführer hat (so für das Montrealer Übereinkommen: Giemulla/Schmid, Art. 1 MÜ, Rn. 47; Reuschle, Art. 1 MÜ, Rn. 26, Ruhwedel, Der Luftbeförderungsvertrag [3. Aufl. 1999], Rn. 118). Die Fluggastrechte-Verordnung dagegen stellt nicht auf die vertragliche Beziehung zum befördernden Unternehmen ab, sondern nur auf die zu befördernde Person; wer dieser (aufgrund eines Vertrages) die Luftbeförderung versprochen hat, ist unerheblich(so auch Führich, Reiserecht (7. Aufl. 2015) § 38, Rn. 29). Bucht eine natürliche Person bei einem Luftfahrtunternehmen einen Flug, ist sie Fluggast, wenn das Luftfahrtunternehmen dieser den Flug bestätigt. Wird der Flug bei einem Luftfahrtunternehmen durch eine juristische Person gebucht und bestätigt (Beispiel: ein Unternehmen bucht für einen Mitarbeiter oder einen externen Berater eine Dienstreise; ein Reiseveranstalter bucht vor oder nach Abschluss eines Reisevertrages einen Sitzplatz für einen Reisenden), so wird zwar das Unternehmen oder der Reiseveranstalter Vertragspartner des Luftfahrtunternehmens, „Reisender“ ist aber allein der durch diesen Vertrag begünstigte Dritte (§ 328 BGB). Denn „Fluggast kann nur derjenige sein, dessen Beförderung auf der Grundlage eines mit dem Luftfrachtführer abgeschlossenen (Luftbeförderungs-)Vertrages erfolgt“ (Ruhwedel, a.a.O.). Befördert wird aber z.B. bei einer Dienstreise nicht das Unternehmen, sondern dessen Mitarbeiter. „Fluggast“ kann somit nur derjenige sein, der (aufgrund einer Buchung) tatsächlich auf einem Flug befördert wird (so auch: AG Leipzig, Urt. v. 07.07.2010 – 109 C 7651/09, BeckRS 2010,17165; a. A. AG Emden, Urt. v. 27.01.2010 – 5 C 197/09, RRa 2010, 135; Führich, Reiserecht [7. Aufl. 2015], § 38 Rn. 28; Hausmann, S. 62; a.A. wohl Hausmann S. 62; aA wohl Staudinger/Keiler, HK-FluggR/Staudinger § 3 Rn.2, der davon ausgeht, dass auch ein Unternehmer iSd 13 BGB „Fluggast“ sein kann). Ein blinder Passagier hat aber nicht deswegen keine Ansprüche aus der Fluggastrechte-Verordnung, weil er keinen Vertrag mit dem befördernden Luftfahrtunternehmen geschlossen hat, sondern weil für ihn keine bestätigte Buchung vorliegt.

28a   Dabei ist das Alter des Fluggastes unmaßgeblich. Auch Kleinkinder und Säuglinge sind „Fluggäste“ im Sinne dier Fluggastrechte-Verordnung (so auch Staudinger/Keiler, HK-FluggR/Staudinger § 3 Rn.4).

28b  Auch die Flugbesatzungsmitglieder (Piloten und Flugbegleiter) zählen nicht zu den Flugästen, soweit sie aufgrund ihres arbeitsrechtlichen Anstellungsverhältnisses an dem Flug ihres Arbeitgebers teilnehmen (so auch Ruhwedel aaO, Rn.119; Führich aaO, § 38 Rn.31; Staudinger/Keiler, HK-FluggR/Staudinger § 3 Rn.3). Dem entspricht auch die Regelung in Art. 3 lit. g Verordnung (EG) Nr. 785/2004 über Versicherungsanforderungen an Luftfahrtunternehmen und Luftfahrzeugbetreiber vom 21.4.2004 (ABl. EU 2004 L 138, 1), nach der „Fluggast“ jede Person ist, die sich mit Zustimmung des Luftfahrtunternehmens oder des Luftfahrzeugbetreibers auf einem Flug befindet, mit Ausnahme der diensthabenden Flug- und Kabinenbesatzungsmitglieder.
29    Nichts anderes ergibt die Analyse einzelner Vorschriften der Verordnung. So stellt die Verordnung z.B. im Erwägungsgrund 6 auf den Schutz der „Fluggäste, die einen Flug … antreten“, im Erwägungs- grund 10 auf „Fluggäste, die nicht befördert werden“ und im Erwägungsgrund 18 auf die „Betreuung von Fluggästen“ ab. Eine juristische Person tritt aber einen Flug nicht an, wird nicht befördert und auch nicht betreut. Ihr kann (bei einer Nichtbeförderung) auch nicht die Beförderung und der Zustieg verweigert werden.

30    Der EuGH hat in seinem Urt. v. 23.10.2012 (verb. Rs. C-581/10 – Nelson ./. Lufthansa und C-629/10 – TUI u.a. . /. CAA, RRa 2012, 272 = NJW 2013, 671) darauf abgestellt, dass die Ausgleichsleistung nach Art. 7 VO wegen einer Verspätung eine Kompensation von Unannehmlichkeiten ist. Solche Unannehmlichkeiten erleidet aber eine juristische Person nicht, sondern allein die (natürliche) Person, die verspätet oder gar nicht befördert wird.

31    Damit wird erkennbar, dass nicht entscheidend ist, wer den Flug gebucht und den Luftbeförderungsvertrag geschlossen hat, sondern allein, wer (aufgrund eines Vertrages, den er nicht notwendigerweise selbst geschlossen haben muss!) den Anspruch auf Beförderung hat. Das ist bei einem echten Vertrag zugunsten Dritter aber gerade nicht das Unternehmen, das den Flug gebucht und den Luftbeförde-rungsvertrag mit einem Luftfahrtunternehmen geschlossen hat, sondern der begünstigte „Dritte“. Wenn also ein Unternehmen einen Flug für einen Mitarbeiter oder einen Beauftragten gebucht hat, ist dieser allein der „Fluggast“ im Sinne der Verordnung und demzufolge auch allein berechtigt, die Unterstützungs-, aber auch die Ausgleichsleistungen zu fordern. Gleiches gilt wenn Eltern die Reise für ihr minderjähriges Kind gebucht haben.

32    Fluggast kann somit nur diejenige (natürliche) Person sein, der vom Luftfahrtunternehmen (bei einer Flugpauschalreise: von einem Reiseveranstalter) eine Buchung bestätigt wurde; auf die Reservierung eines Sitzplatzes kommt es insoweit nicht an. Siehe dazu auch Brecke, ZLW 2012, 358).

2. „Flug“

33    Der EuGH hat am 10.07.2008 in der Rechtssache C-173/07 – Schenkel ./. Emirates (RRa 2008, 237 m. Anm. Wukoschitz, RRa 2008, 242 f.) entschieden, dass der Begriff „Flug“ i.S.d. Verordnung dahingehend auszulegen ist, dass er nicht auf den Fall einer als einheitliche Leistung vereinbarten Hin- und Rückreise (also einer „Rundreise“ i.S.d. Art. 1 MÜ) anwendbar ist, bei der die Fluggäste, die ursprünglich auf einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats einen Flug angetreten haben, zu diesem Flughafen mit einem Flug von einem Flughafen in einem Drittstaat zurückreisen (zu den verschiedenen Flugvarianten: Hausmann, a.a.O.,S.108 ff.).

34    Damit ist aber noch nicht geklärt, ob bei einer Beförderung über mehrere Teilstrecken auch jede Teilstrecke selbst einen „Flug“ darstellt. Der EuGH hatte einen „Rundflug“ (i.S.d. des Art. 1 MÜ) von Düsseldorf über Dubai nach Manila und zurück zu beurteilen und dabei diesen einheitlich gebuchten Rundflug in den Hinflug von Düsseldorf nach Manila und den Rückflug von Manila nach Düsseldorf segmentiert und damit auf das Endziel des Hinfluges bzw. das des Rückfluges abgestellt, die Zwischenlandungen in Dubai aber außer Betracht gelassen.

35    Der BGH hat im Urteil vom 13.11.2012 (X ZR 12/12, RRa 2013,19 = NJW 2013, 682) im Anschluss an die vorerwähnte Schenkel-Entscheidung (dort Rn. 28) die Ansicht vertreten, dass der Begriff des »Fluges« aus dem Sinn und Zweck der Fluggastrechte-Verordnung und insbesondere aus denjenigen Vorschriften der Verordnung zu entwickeln sei, die sich dieses Begriffs bedienen. Da die Verordnung sich auf die Gesamtheit der Fluggäste eines Fluges, der von einem bestimmten Luftverkehrsunternehmen auf einer bestimmten Flugroute ausgeführt wird und mit dem die Fluggäste von einem Flughafen A zu einem Flughafen B befördert werden, beziehe, sei es für die Bestimmung des Begriffs »Flug« nicht ausschlaggebend, dass Erst- und Folgeflug Teil eines Vertrages sind und gemeinsam gebucht wurden (Bestätigung von BGH, Urt. v. 28.05.2009 – Xa ZR 113/08, RRa 2009, 242 = NJW 2009, 2743).

36     Bei einer Flugreise aus zwei oder mehr Flügen, die jeweils von einer Fluggesellschaft unter einer bestimmten Flugnummer für eine bestimmte Route angeboten werden, sei daher die Anwendbarkeit der Fluggastrechte-Verordnung für jeden Flug gesondert zu prüfen (so schon: LG Frankfurt, Urt. v. 05.01.2012 – 2-24 S 145/11, RRa 2012, 87). Dem kann nicht gefolgt werden. Zum einen ist diese Begründung nicht zwingend aus der Schenkel-Entscheidung des EuGH abzuleiten. Zum anderen steht die Ansicht des BGH auch im Widerspruch zu seiner Auffassung, dass bei unmittelbar aufeinanderfolgenden Flügen (direkte Anschlussflüge) für die Bemessung der Höhe der Ausgleichsleistung nicht nur auf die Entfernung zwischen dem Abgangsflughafen und dem Zielort eines Flugabschnittes (Zwischenlandeort), sondern auf die Entfernung zwischen Startflughafen und dem Endziel, also auf den Ort der letzten Landung, abzustellen ist (BGH, Urt. v.14.10.2010 – Xa ZR 15/10, RRa 2011, 33 = NJW-RR 2011, 355 = ZLW 2012, 297). Nach seiner eigenen Logik hätte der BGH konsequenterweise die Aus-gleichsleistung nach der Strecke zwischen dem Startflughafen und dem Zielflughafen des ersten Fluges (richtig: Zwischenlandeort) bemessen müssen.

37    Der BGH vertritt die Ansicht, dass die Betrachtung jeden einzelnen Fluges auch dann gilt, wenn alle Flüge von derselben Fluggesellschaft durchgeführt werden und als Anschlussverbindung gemein-sam gebucht werden können.

38    Das LG Frankfurt (05.01.2012 – 2-24 S 145/11, RRa 2012, 87),  das wie der BGH jeden Flugabschnitt als eigenen Flug betrachtet, hat klargestellt, dass ein Fluggast aber keine Rechte nach der Verordnung hat, wenn eine Störung (Annullierung oder Verspätung) erst bei außereuropäischen Anschlussflügen eintritt.

39    Ein „innergemeinschaftlicher Flug“ ist ein Flug von einem Flughafen der Gemeinschaft bzw. der Union zu einem anderen ohne Zwischenstopp, der weder in einem Nicht-EU-Flughafen seinen Ausgang genommen hat, noch auf einem Nicht-EU-Flughafen endet.

3. „Ausgleichsleistung“, „Entschädigung“ und „Schadensersatz“

40     Die Verordnung selbst verwendet in der deutschen Amtssprache die Begriffe „Ausgleichsleistung“, „Ausgleichsanspruch“ (vgl. Art. 4, 5, 7, 14 VO), definiert aber diese Begriffe nicht. Gleiches gilt für die Begriffe „Schadensersatz“ (Art. 12 VO) und „Entschädigung“ (Art. 13 VO), die nach deutschem Rechtsverständnis unterschiedlich in Bedeutung und Gehalt sind; der Begriff Ausgleichsleistung ist dem deutschen Schadensersatzrecht sogar fremd. Diese Begriffsvielfalt bringt in der Praxis Probleme. So ist in Art. 12 Abs. 1 S. 2 VO bestimmt, dass die nach der Verordnung gewährte „Ausgleichsleistung“ auf einen weiter gehenden „Schadensersatzanspruch“ angerechnet werden kann.

41    Leffers (RRa 2008, 258, 260) weist darauf hin, dass in der englischen Fassung des Textes in den vorgenannten Bestimmungen durchgängig der Begriff „compensation“ verwendet wird, der im engli-schen Rechtssystem weit umfassender verwendet wird als der deutsche Begriff „Schadensersatz“. Sie meint deshalb, dass unter Schadensersatz auch Ansprüche aus dem reiserechtlichen Gewährleistungsrecht (Minderung) zu verstehen seien. Auf den englischen Text kann aber nicht allein abgestellt werden, weil der deutsche Text der Verordnung nicht eine bloße nicht-amtliche Übersetzung ist, sondern in einer Amtssprache der Europäischen Union verfasst und somit zunächst aus sich heraus auszulegen ist. Der Rechtsvergleich mit Texten anderen Amtssprachen, kann allenfalls ergänzend betrachtet werden. Bollweg (RRa 2009, 10, 13) weist daher zutreffend darauf hin, dass eine Auslegung in erster Linie unter dem Blickwinkel der Entstehungsgeschichte und dem vom europäischen Gesetzgeber verfolgte Regelungszweck (Verhinderung einer überkompensatorischen Doppelentschädigung eines Fluggastes) erfolgen muss. Da er als Mitglied der Arbeitsgruppe des Rates für die Bundesregierung maßgeblich an der Verordnung mitgearbeitet hat, kann er anschaulich erläutern, warum die verwirrende Begriffsvielfalt notwendig erschien. Da die Verordnung aber ein Regelwerk nicht nur des Rates, sondern auch des Parlaments ist, an dem auch die Kommission mitgearbeitet hat, kann für eine Begriffsauslegung wohl nur sehr eingeschränkt allein auf das Verständnis nur einiger nationaler Mitglieder des Rates-Arbeitsausschusses abgestellt werden. Nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen ist ein Unionsrechtsakt so weit wie möglich in einer Weise auszulegen, die seine Gültigkeit nicht in Frage stellt, und im Einklang mit dem gesamten Primärrecht steht (EuGH, Urt. v. 16.09. 2010, Rs. C 149/10 − Chatzi, Rn 43, Slg. 2010 I‑8489 = EuZW 2011, 62).

42    Bislang hat die deutsche Literatur und Rechtsprechung lange Zeit die Ansicht vertreten, dass die Ausgleichsleistung ein „pauschalierter Schadensersatz“ sei (Schmid, RRa 2004, 198, 202; Staudinger/ Schmidt-Bendun, NJW 2004, 1897, 1899; Weise/Schubert, TranspR 2006, 340, 343; Tonner, NJW 2006, 1854, 1856; Führich, MDR 7/2007, Beilage S. 8). Nun hat aber der EuGH in seinem Urteil vom 23.10.2012 (verb. Rs C-581/10 – Nelson ./. Lufthansa und Rs. C-629/10 – TUI u.a. . /. CAA, Rn. 74, RRa 2012, 272) klargestellt, dass die Ausgleichsleistung dem Ausgleich eines von Fluggästen erlittenen Zeitverlustes dient, also weniger den materiellen Schaden, sondern einen immateriellen Schaden ausgleicht. Unter Zugrundelegung dieses Verständnisses schiede bei Beurteilung nach deutschem Recht eine Anrechnung aus, wenn der Fluggast auch einen materiellen Schaden (z.B. die Erstattung von zusätzlichen Reisekosten, die wegen Annullierung eines gebuchten Fluges angefallen sind) geltend macht. Der BGH hat beschlossen diese Frage wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Der Vorlagebeschlusss vom 30.07.2013 (X ZR 111/12 und X ZR 113/12, RRa 2013, 233 = TranspR 2013, 447) wurde aber nicht ausgeführt, weil das Luftfahrtunternehmen die Forderung jeweils anerkannt hat.

43    Zu berücksichtigen ist auch, dass die Verordnung grundsätzlich nur das Rechtsverhältnis zwischen einem Fluggast und dem ausführenden Luftfahrtunternehmen regelt; andere Rechtsverhältnisse will es nicht regeln, auch wenn in Art. 2 VO die Begriffe „Reiseunternehmen“ (lit. d) und „Pauschalreise“ (lit. e) erläutert werden. Das geschieht aber nur mit Blick auf Art. 13 VO, der ausdrücklich den Regress des Luftfahrtunternehmens regelt. Hätte der europäische Gesetzgeber gewollt, dass auch Ansprüche des Fluggastes gegen den Reiseveranstalter erfasst werden, wäre es ein Leichtes gewesen, in Art. 12 VO neben den weiter gehenden Schadensersatzansprüchen auch „Ansprüche gegen einen Reiseveranstalter“ aufzunehmen. Da dies nicht geschehen ist, muss im Rahmen der gebotenen engen Auslegung davon ausgegangen werden, dass mit „weiter gehenden Schadensersatzansprüchen“ nur solche Ansprüche gemeint sein sollen, die sich aus dem Rechtsver-hältnis zwischen Fluggast und Luftfahrtunternehmen ergeben. Ansprüche des Fluggastes gegen einen Reiseveranstalter auf Minderung haben daher unberücksichtigt zu bleiben.

4. Flugsteig

44    Mit „Flugsteig“ in Art. 2 j) VO ist der (immer seltener abgegrenzte) Ort gemeint, an dem sich die Fluggäste unmittelbar vor Antritt des Fluges versammeln, bevor diese gegen Vorzeigen ihrer Bordkarten das Flughafengebäude verlassen, um entweder über eine sogenannte Fluggastbrücke („Finger“) das Flugzeug zu betreten oder zu Fuß oder mit einem Bus über das Vorfeld zum Flugzeug zu gelangen. Das AG Hamburg hat zutreffend ausgeführt, dass der Bereich der Sicherheitskontrolle oder der Laden- und Gastronomiebereich (shopping area) nicht dazu zählt (Urt. v. 09.05.2014 – 36a C 462/13RRa 2014, 249 = BeckRS 2014, 18885). Vom „Flugsteig“ zu unterscheiden ist der „Abfertigungsschalter“ (check-in-counter), an dem Fluggäste sich „zur Abfertigung einfinden“, d.h. wo sie ihre Reisedokumente vorlegen, ggf. mitgebrachtes Reisegepäck abgegeben und die Bordkarten erhalten. Das kann in Ausnahmefällen (!) auch am Flugsteig des Anschlussfluges geschehen, z.B. wenn bei Umsteigeverbindungen ein Fluggast im Transitbereich (erneut) eingecheckt werden muss.