Artikel 13 – Regressansprüche
1 Art. 13 VO schafft ein Gegengewicht dafür, dass das ausführende Luftfahrtunternehmen nach Art. 7 VO auf Ausgleichszahlungen bzw. nach Art. 8 VO auf Erstattung von Ticketkosten und anderweitige Beförderung bzw. nach Art. 9 VO auf Betreuungsleistungen für Störungen bei der Flugabwicklung in Anspruch genommen werden kann, obwohl diese möglicherweise vom ausführenden Luftfahrtunternehmen nicht verschuldet sind. Diese Haftungsfolgen gelten nach Art. 4 VO für die Nichtbeförderung, nach Art. 5 VO für die Annullierung und nach Art. 6 VO für die Verspätung, insbesondere für die große (Ankunfts-)Verspätung von mehr als 3 Stunden.
2 Die Regressansprüche des ausführenden Luftfahrtunternehmens für Leistungen nach der Verordnung sind ausdrücklich nicht beschränkt. Dies gilt insbesondere für den Regress gegenüber einem Reiseveranstalter, mit dem ein Chartervertrag geschlossen worden ist, oder mit einem sonstigen Vertragspartner (z.B. einem Flughafenbetreiber und dessen Abfertigungsbetrieb) oder beauftragten Dritten, wenn nicht genügend Enteisungsmittel vorgehalten wird. Sind diese Vertragspartner die Schadensverursacher, ist der Weg für den Regress nach Art. 13 VO frei (allgemein dazu: BGH, Beschl. v. 11.03.2008, RRa 2008, 175 = NJW 2008, 2119 ff.)
3 Dabei begründet Art. 13 VO keinen eigenen Regressanspruch, sondern setzt diesen vielmehr voraus. Ein solcher Regressanspruch kann sich entweder aus dem zugrunde liegenden Vertrag (z.B. dem „Chartervertrag“) ergeben oder nach den Grundsätzen einer Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677, 683 BGB). So etwa, wenn das ausführende Luftfahrtunternehmen dem Fluggast bei einer Flugpauschalreise einen Teil des Flugpreises erstattet, obwohl dies eigentlich eine Verpflichtung des Reiseveranstalters gewesen wäre. Das ausführende Luftfahrtunternehmen handelt insoweit ohne Auftrag, aber im Geschäftsinteresse des Reiseveranstalters, der den Pauschalreisevertrag mit dem Reisenden abgeschlossen hat.
4 Den Beschwerden der Luftfahrtbranche gegen die Belastungen aus der Fluggastrechte-Verordnung hält der EuGH regelmäßig entgegen, dass die Verpflichtungen gemäß der Verordnung unbeschadet des Rechts der Luftfahrtunternehmen zu erfüllen sind, bei anderen Schadensverursachern, auch Dritten, Regress zu nehmen, wie es Art. 13 VO vorsieht (allgemein dazu: BGH, Beschl. v. 11.03.2008, RRa 2008, 175 = NJW 2008, 2119 ff.). Ein solcher Regress kann daher die Belastung dieser Beförderungsunternehmen aus den Verpflichtungen der Verordnung mildern oder sogar beseitigen. Wegen des Regressanspruchs können die Luftfahrtunternehmen damit belastet werden, den betroffenen Fluggästen einen Anspruch auf einen weder annullierten noch verspäteten Flug zu verschaffen (EuGH, Urt. v. 19.11.2009, verb. Rs. C-402/07 – Sturgeon ./. Condor und C-432/07 – Böck u.a. ./. Air France, Rn. 68, Slg I-2009 I-10923 = RRa 2009, 282 f., 289; so schon EuGH, Urt. v. 10.01.2006 – IATA und ELFAA ./. Department of Transport, Rs. C-344/04, Rn. 90, Slg. 2006, I-403 = RRa 2006,127).
5 Für den umgekehrten Fall der Regressnahme des Reiseveranstalters gegenüber der Fluggesellschaft folgt dessen Regressanspruch aus einem sogenannten Gruppenbeförderungsvertrag zwischen Reiseveranstalter und Fluggesellschaft. Soweit der Reiseveranstalter von den Reiseteilnehmern bei einer von ihm veranstalteten Flugpauschalreise wegen Flugannullierung oder sehr großer Verspätung bzw. Nichtbeförderung auf Gewährleistung aus Pauschalreisevertrag in Anspruch genommen wird, ergibt sich der Regressanspruch aus Gruppenbeförderungsvertrag i.V.m. §§ 631 ff, 278, 280 Abs. 2, 286 Abs. 1 BGB. Der Reiseveranstalter ist ansonsten zwar kein Anspruchsgegner für die Ansprüche aus der Verordnung, kann sich diese jedoch von dem einzelnen Fluggast im Sinne einer einheitlichen Regulierung des Schadensfalles abtreten lassen. Dann ergibt sich der Anspruch des Reiseveranstalters gegen den ausführenden Luftfahrtunternehmer z.B. wegen Ausgleichszahlungen aus Art. 7 Abs. 1 VO i.V.m. § 398 BGB aus abgetretenem Recht.
6 Dem steht das Montrealer Übereinkommen nicht entgegen, denn im Verhältnis zwischen Reiseveranstalter und Fluggesellschaft findet das Montrealer Übereinkommen keine Anwendung (so: OLG Frankfurt, Urt. v. 23.08.2007 − 3 U 207/06, RRa 2008, 38 f.; Urt. v. 15.11.2011 – 16 U 39/11, RRa 2012, 119 f.; LG Frankfurt, Urt. v. 21.07.2006 – 2-19 U 349/05, RRa 2008, 34 f.).