Artikel 14 – Verpflichtung zur Information der Fluggäste über ihre Rechte
(2) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen, das Fluggästen die Beförderung verweigert oder einen Flug annulliert, händigt jedem betroffenen Fluggast einen schriftlichen Hinweis aus, in dem die Regeln für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen gemäß dieser Verordnung dargelegt werden. Ferner wird allen von einer Verspätung um mindestens zwei Stunden betroffenen Fluggästen ein entsprechender Hinweis ausgehändigt. Die für die Kontaktaufnahme notwendigen Angaben zu der benannten einzelstaatlichen Stelle nach Artikel 16 werden dem Fluggast ebenfalls in schriftlicher Form ausgehändigt. (3) Bei blinden oder sehbehinderten Personen sind die Bestimmungen dieses Artikels durch den Einsatz geeigneter alternativer Mittel anzuwenden.
I. Allgemeines
1 Ein Fluggast hat das Recht, zu erfahren, welche Rechte er hat, wenn er auf dem gebuchten Flug nicht befördert wird oder sein Flug annulliert oder mit großer Verspätung durchgeführt wird. Darüber hinaus hat ein Fluggast das Recht zu erfahren, wer den gebuchten Flug durchführen soll und wird. In der Fluggastrechte-Verordnung ist bedauerlicherweise nur die Informationspflicht des ausführenden Luftfahrtunternehmens über die Rechtsansprüche des Fluggastes infolge von Nichtbeförderung, Annullierung oder großer Verspätung normiert. Die Pflicht zur Aufklärung über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens ist in einem anderen Regelwerk niedergelegt.
2 Leider wurde auch nicht bestimmt, dass dem Fluggast der Grund für die Nichtbeförderung, Annullierung oder Verspätung mitgeteilt werden muss. Dies wäre für die Praxis wichtig, damit ein Fluggast bzw. der Prozessvertreter vor Einreichung der Klage beurteilen kann, ob ein Entlastunggrund (ein vertretbarer Grund nach Art. 2 lit. j VO oder ein außergewöhnlicher Umstand nach Art. 5 Abs. 3 VO) vorliegt oder nicht. So könnte ein erheblicher Teil von Prozessen vermeiden werden.
3 Damit ein Fluggast sich nicht aus Unwissenheit mit einer niedrigeren als der ihm gebührenden Ausgleichszahlung nach Art. 7 VO abfindet, enthält die Verordnung in Art. 14 VO umfangreiche Informations- und Hinweispflichten. So ist im Abfertigungsbereich (unabhängig von einem konkreten Vorfall) ein Hinweis mit dem wörtlich vorgeschriebenen Text des Art. 14 VO anzubringen. Deutlich sichtbar muss demnach zu lesen sein: „Wenn Ihnen die Beförderung verweigert wird oder wenn Ihr Flug annulliert wird oder mindestens zwei Stunden verspätet ist, verlangen Sie am Abfertigungsschalter oder am Flugsteig schriftliche Auskunft über Ihre Rechte, insbesondere über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen.“
4 Dem Fluggast müssen auch die notwendigen Angaben zu der benannten einzelstaatlichen Stelle nach Artikel 16 VO (Durchsetzungsstelle) gegeben werden, damit er sich ggf. dort beschweren kann. Auch diese Informationen müssen ebenfalls in schriftlicher Form gegeben werden.
5 In den meisten Flughäfen werden die Fluggäste über Plakate auf ihre Rechte hingewiesen. Das ist nicht vorgeschrieben. Die Verordnung verlangt aber (darüber hinaus auch), dass der Hinweis „bei der Abfertigung“, d.h. nicht vorher (z.B. am Eingangsbereich des Flughafengebäudes) und nicht danach, sondern während der Abfertigung erfolgt. Daraus ist abzuleiten, dass der Hinweis (durch ein Hinweisschild, ein Plakat) am Abfertigungsschalter erfolgt. Soweit das Luftfahrtunternehmen seiner Informationspflicht durch Broschüren nachkommen will, müssen diese am Check-in-Schalter offen ausliegen und nicht nur für den Fall der Nachfrage verfügbar sein.
6 Bei Eintritt des konkreten Vorkommnisses (Nichtbeförderung, Annullierung oder große Verspätung) müssen dem Betroffenen also schriftliche Hinweise über seine Rechte ausgehändigt werden. Diese sollen in verständlicher Sprache verfasst sein und auch auf weitergehende mitgliedstaatliche Schadensersatzansprüche verweisen, damit der Zweck der Verordnung, nämlich die umfassende Information des Reisenden, erreicht wird.
II. Pflicht zur Information bei frühzeitiger Annullierung
7 Annulliert ein Luftfahrtunternehmen einen Flug zwar mehr als 14 Tage vor dem geplanten Abflugtermin, teilt der Reisevermittler diese Mitteilung aber erst 13 Tage vor Abflug mit, hat der Reisende einen Anspruch auf Ausgleichsleistungen. Das Luftfahrtunternehmen kann sich auf etwaige Fehler des Reisevermittlers im Verhältnis zum Kläger nicht berufen (AG Frankfurt a. M., Urt. v. 04.09.2009, RRa 2009, 292, LG Frankfurt, Urt. v. 01.09.2011 – 2-24 S 92/11, RRa 2012, 92; a.A. AG Rüsselsheim, AG Rüsselsheim, Urt. v. 18.05.2016 – 3 C 3043/15-31). Das LG Frankfurt (a.a.O.) hat zutreffend entschieden, dass der Reiseveranstalter kein Empfangsvertreter bzw. Wissensvertreter des Fluggastes ist.
III. Information bei Nichtbeförderung wegen Überbuchung
8 Verzichtet ein Fluggast, dessen Flug überbucht ist, auf die gebuchte Beförderung, muss das ausführende Luftfahrtunternehmen ihn im Rahmen der Verhandlungen über eine Gegenleistung auch darauf hinweisen, dass ein „Freiwilliger“ i.S.d. Art. 4 VO nach Abschluss der Vereinbarung mit der Geltendmachung von einer weiteren Schadensersatzleistung ausgeschlossen ist (Tonner, in: Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss [2. Aufl. 2010], Kap. 15, Rn. 132).
IV. Informationen über das ausführende Luftfahrtunternehmen
9 Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 enthält keine Informationen über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens. Diese sind aber in der Verordnung (EG) Nr. 2111/2005 vom 14.12.2005 (ABl. EG 2005 L 344, 15) in Art. 11 niedergelegt. Art. 11 gilt für die Beförderung von Fluggästen auf dem Luftwege, wenn der Flug Teil eines Beförderungsvertrags ist und diese Beförderung in der Union begonnen hat, und
- a) der Flug von einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ausgeht, für das der Vertrag gilt, oder
- b) der Flug von einem Flughafen in einem Drittstaat ausgeht und auf einem Flughafen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, für das der Vertrag gilt, ankommt, oder
- c) der Flug von einem Flughafen in einem Drittstaat ausgeht und auf einem solchen Flughafen ankommt.
10 Art. 11 VO (EG) Nr. 2111/ 2005 gilt unabhängig davon, ob es sich um einen Linienflug handelt oder nicht, sowie unabhängig davon, ob der Flug Teil einer Pauschalreise ist oder nicht. Die Rechte der Fluggäste nach der Richtlinie 90/314/EWG (sog. Pauschalreise-Richtlinie) und der Verordnung (EWG) Nr. 2299/89 bleiben unberührt.
11 Nach Art. 11 Abs. 1 (EG) Nr. 2111/ 2005 hat der Vertragspartner (vertragliches Luftfahrtunternehmen oder Reiseveranstalter) für die Beförderung im Luftverkehr die Fluggäste bei der Buchung über die Identität der/des ausführenden Luftfahrtunternehmen(s) zu unterrichten und zwar unabhängig vom genutzten Buchungsweg.
12 Ist die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens bei der Buchung noch nicht bekannt, hat der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr sicherzustellen, dass der Fluggast über den Namen der bzw. des Luftfahrtunternehmen(s) unterrichtet wird, die bzw. das wahrscheinlich als ausführende(s) Luftfahrtunternehmen der betreffenden Flüge tätig werden bzw. wird (Art. 11 Abs. 2 VO (EG) Nr. 2111/ 2005), sobald diese Identität feststeht.
13 Wird/werden das bzw. die ausführenden Luftfahrtunternehmen nach der Buchung gewechselt, so leitet der Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr unabhängig vom Grund des Wechsels unverzüglich alle angemessenen Schritte ein um sicherzustellen, dass der Fluggast so rasch wie möglich über den Wechsel unterrichtet wird (Art. 11 Abs. 3 VO (EG) Nr. 2111/ 2005). In jedem Fall werden die Fluggäste bei der Abfertigung oder, wenn keine Abfertigung bei einem Anschlussflug erforderlich ist, beim Einstieg unterrichtet.
14 Das Luftfahrtunternehmen oder gegebenenfalls der Reiseveranstalter sorgen dafür, dass der betreffende Vertragspartner für die Beförderung im Luftverkehr über die Identität der oder des Luftfahrtunternehmen(s) unterrichtet wird, sobald diese Identität feststeht, insbesondere im Falle eines Wechsels des Luftfahrtunternehmens (Art. 11 Abs. 4 VO (EG) Nr. 2111/ 2005).
15 Wurde ein Verkäufer von Flugscheinen nicht über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens unterrichtet, so ist er für die Nichteinhaltung des Art. 11 VO (EG) Nr. 2111/ 2005 nicht verantwortlich (Art. 11 Abs. 5 VO (EG) Nr. 2111/ 2005).
16 Die Verpflichtung des Vertragspartners für die Beförderung im Luftverkehr zur Unterrichtung des Fluggasts über die Identität des ausführenden Luftfahrtunternehmens ist in den für den Beförderungsvertrag geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufzuführen (Art. 11 Abs. 6 VO (EG) Nr. 2111/ 2005).
17 Die Mitgliedstaaten müssen nach Art. 13 VO (EG) Nr. 2111/ 2005 zur Einhaltung dieser Pflichten erforderlichen Maßnahmen treffen und für Verstöße gegen diese Regeln Sanktionen festlegen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein müssen.
18 Klärt ein Luftfahrtunternehmen den Fluggast nicht über seine Rechte bei einer Flugverspätung auf, so muss es die Kosten für die zur Informationsbeschaffung notwendige Einschaltung eines Rechtsanwalts ersetzen (AG Hannover 31.07.2012 – 517 C 13641/11, NJW-RR 2013, 381; AG Düsseldorf 11.06.2013 – 43 C 15606/12, Rn 15, juris; AG Frankfurt 08.11.2013 – 32 C 2687/13-41; LG Frankfurt 05.12.2014 – 2-24 S 49/14, RRa 2015, 24; aA AG Charlottenburg 17.01.2014 – 234 C 237/13); AG Bremen 12.06.2014 – 9 C 72/14, NJW-RR 2014, 1142). Das hat der BGH mit Urteil vom 25.02.2016 – X ZR 35/15, RRa 2016, 183 bestätigt für den Fall, dass die erteilten Hinweise lückenhaft, unverständlich oder sonst so unklar sind, dass der Fluggast nicht sicher erkennen kann, was er tun muss.